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Unternehmen und Konsumenten

Fremde oder Freunde?

Das Vertrauen der Bürger in die Wirtschaft ist seit der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise angeschlagen. Die GfK-Tagung diskutierte, wie die Unternehmen verlorene Glaubwürdigkeit zurückgewinnen können.

„Vertrauen darf man nicht dem Zufall überlassen“, konstatierte Peter Zühlsdorff, Präsident des GfK Vereins und Gastgeber der diesjährigen GfK-Tagung unter dem Motto „Vorsprung durch Vertrauen“. Zum Auftakt der Veranstaltung im Nürnberger Messezentrum gab er den rund 500 Teilnehmern das Credo vor: „Vertrauen in Marken muss man aktiv managen.“

Gerade die deutsche Finanzbranche habe Handlungsbedarf, die Vertrauenskrise sei nicht vorüber, sagte Karsten John, GfK-Division Manager der Finanzmarktforschung: „Im Gegenteil, noch nie war das Vertrauen in Institutionen und Banken so niedrig wie heute.“ Das sei deshalb auffällig, weil auch zwei Jahre nach der Finanzkrise das Vertrauen trotz XXL-Aufschwung auf einem sehr niedrigen Niveau verharrt. Nur 20 Prozent der Verbraucher bekennen sich zu großem Vertrauen in die Bankenbranche – „ein dramatischer Befund“. Die Versicherer schneiden laut GfK-Vertrauensbarometer noch schlechter ab.

John hat einen „Paradigmenwechsel des Vertrauens“ festgestellt: Gaben früher viele Kunden den Finanzinstituten einen Vertrauensvorschuss in Marken, Institutionen und Personen, dominiert mittlerweile ein vorsichtiger Vertrauensaufbau durch positive Erfahrungen, Recherchen und digitale Netzwerke. Die Gegenstrategie, um wieder mehr Vertrauen aufzubauen, heißt für John klare Produkt- und Dienstleistungsversprechen. Zuviel Euphorie will er aber nicht aufkommen lassen: „Kurzfristig geht hier gar nichts.“ Um Intensität und Qualität einer Markenbindung aussagekräftiger zu bewerten, hat die GfK gemeinsam mit der amerikanischen Boston University ein komplexes Modell von marketingrelevanten Beziehungsmustern entwickelt, die sich am menschlichen Alltag orientieren. Bei einer starken Bindung, betont Dr. Oliver Hupp, Division Manager für Marken und Kommunikationsforschung der GfK, seien Käufer „loyal und bereit, Premiumpreise zu zahlen“. Aus Unternehmenssicht sorgen solch starke Markenbeziehungen für höhere Marktanteile und höhere Margen.

Die Marke als „vertrauter Partner“?

Dem Modell zufolge gehören in das Beziehungsfeld „Ehepartner“ Marken wie Apple oder Harley Davidson, die als „intensiv und schwer zu verlassen“ gelten. Das „geschiedene Ehepaar“ steht ähnlich wie „nervige Bekannte“ oder „Betrüger“ für eine als unfair, unaufrichtig und kalt empfundene Marke; die Gelegenheitsbekanntschaft für „flüchtige Bekanntschaft“ oder „One-Night-Stand“. Auch mit diesem Analyse-Instrument schneidet die Finanzbranche nicht besonders gut ab, kein Kunde klassifiziert sein Kreditinstitut „als besten Freund oder Ehepartner“. Gerade einmal vier von zehn Kunden sehen ihre Bank als „vertrauter Partner“, für zwei von zehn gehört die eigene Bank ins Beziehungssegment „Fremder“.

Gastredner und Philosoph Richard David Precht leitet aus seiner „Biologie der Moral“ die These ab, dass in der Wirtschaft Moral, Vertrauen und Fairness „eine Frage des Nahhorizonts“ – also des persönlichen Erlebens – sind. Das Bild des ehrbaren Kaufmanns konnte Precht zufolge nur unter zwei Bedingungen erfolgreich entstehen: Zum einen kannten sich die Kaufleute untereinander und sahen sich immer wieder. Zum anderen machen „sinnliche Begegnungen das Bescheißen schwerer“. Strategen im Marketing müssten vor diesem Hintergrund die Frage beantworten, wie man Markenkontakte gestalten muss, um Vertrauen zu erzeugen.

Precht warnt mit seiner „Biologie der Moral“ vor den Gefahren, die mit der wachsenden Abstraktion wirtschaftlicher Prozesse einher gehen. Diese Entwicklung öffne dem Betrug Tür und Tor. Gemeint ist damit der Wandel weg von Geschäften auf Märkten und in bekannten Gruppen hin zum Handel am Computer-Bildschirm und zum Entscheiden auf Basis endloser Zahlenkolonnen. Denn abstrakte Zahlenkolonnen geben laut Precht keinen Raum für Moral oder Mitgefühl. Hier sieht er ein zentrales Dilemma: „Moral hat eine emotional-sinnliche Komponente“, die internationale Finanzwirtschaft agiere dagegen „zu schnell und zu weit weg“.

Autor/in: 
tt.
 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 08|2011, Seite 16

 
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