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Nürnberger Lebkuchen

Für Weihnachten unverzichtbar

Seit dem 14. Jahrhundert ist der Beruf des Lebküchners durch Dokumente belegt. Zwar gibt es auch heute noch handwerklich arbeitende Betriebe, doch die meisten Lebkuchen werden industriell gefertigt.

Wohl nur einmal in seiner jahrhundertealten Geschichte wurde dem Nürnberger Lebkuchen ein negativer Beigeschmack verpasst. Das war zu Zeiten der New Economy um das Jahr 2000, als Bayern seinen Fortschrittsgeist mit dem Motto „Laptop und Lederhose“ propagierte und das vermeintlich Provinzielle mit „Lebkuchen und Butzenscheiben“ gebrandmarkt wurde. Das ist mittlerweile längst vergessen und der Lebkuchen ist wieder das, was er einmal war: Ein besonderer Leckerbissen mit Honig, Mandel- oder Nusskernen und Gewürzen wie Anis, Nelken, Ingwer, Kardamom, Muskatblüten, Piment und Zimt.

Jahrhunderte alte Rezepte

Historisch ist in Nürnberg der Beruf des Lebküchners seit dem Jahr 1395 belegt, das älteste schriftliche Lebkuchen-Rezept stammt aus dem 16. Jahrhundert und wird im Germanischen Nationalmuseum aufbewahrt. Mit der Einführung der Dampfmaschine um 1840 stellte die Nürnberger Lebküchnerei Häberlein die Weichen in Richtung Industrialisierung, es entstanden wahre Großbetriebe. Harte Einschnitte brachten die Kriegszeiten: Im Ersten Weltkrieg wurde die Herstellung der Lebkuchen als Luxusbackwerk untersagt, im Zweiten Weltkrieg wurden alle Nürnberger Lebkuchenbetriebe in Schutt und Asche gelegt.

In den letzten Jahrzehnten hat sich die Zahl der Hersteller von Nürnberger Lebkuchen, der EU-weit als geografische Herkunftsangabe geschützt ist, gelichtet. Laut der Arbeitsgemeinschaft Nürnberger Lebkuchen des Bonner Bundesverbands der Deutschen Süßwarenindustrie (BDSI) produzieren in Spitzenzeiten gleichwohl immer noch bis zu 2 000 Mitarbeiter das traditionsreiche Gebäck. Lebkuchen werden beim BDSI zusammen mit Spekulatius und anderen Saisonprodukten in der Sparte „Feine Backwaren“ erfasst, deren Umsatz im vergangenen Jahr mit 2,3 Mrd. Euro angegeben wurde. Die Hersteller von „feinen Backwaren“ verzeichneten im letzten Jahr ein schwieriges Geschäft: Die Produktionsmenge ging um etwa 1,5 Prozent auf 735 000 Tonnen zurück.

Ungeachtet der Marktveränderungen hat sich in Nürnberg eine facettenreiche Produktion erhalten. Neben großen Herstellern haben sich auch viele kleine und mittlere Betriebe in der Noris ihren Markt gesucht. Lebkuchen-Schmidt, unter der Regie der 87-jährigen Henriette Schmidt-Burkhardt, dürfte mit der zugekauften Marke Wicklein und einem dreistelligen Millionen-Umsatz der führende Anbieter unter den Nürnberger Familienunternehmen sein.

Die Aachener Printen- und Schokoladenfabrik Lambertz sicherte sich 1999 die Traditionsmarke Haeberlein Metzger von Schöller. Im Jahr 1994 wurde auch die Lebkuchengruppe Weiss aus Neu-Ulm zusammen mit deren Nürnberger Werk und deren Lebkuchenmarke Wolf übernommen. In Nürnberg produzieren 200 Mitarbeiter Lebkuchen dieser drei Marken, zum Saisongeschäft kommen weitere 140 hinzu. Weiss erzielte im vergangenen Jahr einen Umsatz von 90 Mio. Euro, die traditionsreiche Marke Haeberlein & Metzger steuerte einen Umsatz von fast 22 Mio. Euro bei. Haeberlein & Metzger und die Weiss-Marke Weissella werden im Premium-Bereich positioniert. Andere Weiss-Produkte wie Lebkuchenherzen, Herzen-Sterne-Brezeln und Pfeffernüsse aus dem Werk in Neu-Ulm siedelt Lambertz etwas tiefer an. Zudem gibt es die Weiss-Eigenmarke Wolf, die den Discountbereich bedient.

Anders als in Neu-Ulm ist eine Automatisierung in Nürnberg angesichts der komplizierten Herstellungsweise von Nürnberger Lebkuchen nicht möglich. Im Jahr 2012 installierte Lambertz in Nürnberg eine neue Ofenlinie, in diesem Jahr erfolgte eine Kapazitätserweiterung, zudem wurde die Produktion flexibler gestaltet, um schneller zwischen verschiedenen Lebkuchenformen und -größen wechseln zu können. Um dem eigenen Innovationsanspruch gerecht zu werden, will die Unternehmensgruppe den internen Innovationsprozess intensivieren, das Backlabor ausbauen und mehr Ressourcen für die Produktentwicklung zur Verfügung stellen.

Zu den echten Exportschlagern gehören Lebkuchen-Artikel, anders als die Nürnberger Rostbratwurst, eher weniger. Sie werden vorwiegend in Länder oder Regionen mit deutschsprachiger oder deutschstämmiger Bevölkerung geliefert, also zum Beispiel nach Österreich, in die Schweiz oder auch ins Elsass. In den letzten Jahren wurden auch gute Umsatzerfolge in Osteuropa und in den USA erzielt.

Bei der Lebkuchenfabrik Ifri Schuhmann hat die Produktion der braunen Lebkuchen bereits im Juni angefangen, wenn gegenüber im Langwasserbad das Eis hoch Hochkonjunktur hat. Zwei Monate später startet die Herstellung der feinen Nürnberger Oblatenlebkuchen, die dann als Handelsmarke in die Läden kommen. In Spitzenzeiten beschäftigt das 1937 gegründete Unternehmen 105 Stammkräfte und weitere 230 Saisonkräfte, die vorübergehend auch im Dreischichtbetrieb zupacken müssen, um die Nachfrage zu bedienen.

Gefertigt werden stündlich etwa 100 000 Oblatenlebkuchen und 800 Kilogramm braune Lebkuchen bzw. Gebäcke. Die integrierte Firma Burg Lebkuchen dient heute in erster Linie als Vertriebsfirma für die produzierenden Firmen Ifri Lebkuchen Schuhmann und Wendler Nougat Spezialitäten. Die Auftragslage ist nach Unternehmensangaben sehr stabil. Allerdings beeinflussen in den letzten Jahren zunehmend die volatilen Rohstoffmärkte- und preise das Geschäft, auch mit den gestiegenen Energiekosten habe die energieintensive Branche zu kämpfen. Es dominiert aber unternehmerischer Optimismus: „Nürnberger Lebkuchen sind und bleiben als Traditionsgebäck zeitlos und im Trend“, so Personalleiter Alexander Grönhardt.

Lebkuchen in Bio-Qualität

Das jüngste Unternehmen der Branche dürfte das 1999 gegründete Unternehmen AS Premium Produktion & Vertrieb sein, besser bekannt mit der Marke „Nürnberger Bio Originale“. Egal ob es um Lebkuchen, Rostbratwürste oder andere Produkte geht – bei den Nürnberger Spezialitäten wird handwerkliche Herstellung nach traditionellen Rezepturen mit zertifizierten Biozutaten zu einem neuen Bio-Premium-Sortiment verbunden. Zu bekommen sind Bio Elisen-Lebkuchen, unglasiert oder schokoliert, oder auch gefüllte Bio-Lebkuchenherzen und Bio-Gewürzspekulatius.

Neben vielen weiteren Fertigungsbetrieben finden sich auch kleine Anbieter wie die Bäckerei Konditorei Lebküchnerei Düll. Der 1934 gegründete Familienbetrieb in dritter Generation hält sich beim Lebkuchen an ein altes, geheimes Familienrezept und setzt auch sonst auf Tradition. Statt eines „maschinenfreundlichen Teigs“ wird hauptsächlich mit der Hand gearbeitet, die Nüsse werden täglich frisch geröstet und taggleich verarbeitet.

„Zuwendung und Zeit“ seien die eigentlich wichtigen Zutaten, erklärt Christine Düll. Die Lebkuchen werden händisch zu einer über 100 Gramm schweren Leckerei geformt. Ist die Backstube mit 5 000 Lebkuchen voll, müssen diese 24 Stunden ruhen und die Arbeit wird unterbrochen. „Wir haben das Gefühl, die Nachfrage nach unseren Premium-Produkten steigt“, so Christine Düll, die sogar laktosefreie Lebkuchen herstellt.

Die Historie rund um den Lebkuchen kann man an den Adventssonntagen bei der Führung „Honig, Nuss und Mandelkern – Die Entstehung des Nürnberger Lebkuchens“ im Nürnberger Museum Industriekultur entdecken. Neben Geschichten und Anekdoten können Besucher den Weg des Gebäcks von der handwerklichen Herstellung bis hin zur industriellen Produktion nachverfolgen.

Auch in der bis März 2014 verlängerten Sonderausstellung „Die Spielzeugstadt. Nürnberg und die Spielzeugwelt“ im Nürnberger Spielzeugmuseum ist das Thema Lebkuchen etwa mit dem historischen Lebkuchenstand, eine Art Themenpuppenstube aus dem 18. Jahrhundert, zu entdecken.

Autor/in: 
Thomas Tjiang
 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 12|2013, Seite 12

 
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