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Personalsuche in China

Das Talent-Dilemma

Mitarbeiter_China © XiXinXing/Thinkstock.com

Bei der Suche nach Personal gelten in China andere Regeln als hierzulande. Wie gewinnt man dort qualifizierte Mitarbeiter?

Personalleiter deutscher Unternehmen in China haben seit Jahren keinen leichten Stand. Denn regelmäßig sind es Personalthemen, die deutsche Betriebe zu den größten Herausforderungen in China zählen. Dies zeigt auch der aktuelle Arbeitsmarkt- und Gehaltsbericht, den die Deutsche Auslandshandelskammer (AHK) Greater China vor Kurzem veröffentlicht hat: Mit mehr als 85 Prozent liegt das Problem der steigenden Personalkosten an der Spitze der Themen, die Personalchefs und Geschäftsführern Kopfzerbrechen bereiten. Auch die Rekrutierung und das Halten qualifizierter Mitarbeiter bewerten mehr als 80 Prozent der befragten Verantwortlichen für Human Resources (HR) als große Herausforderungen. In der kürzlich veröffentlichten Geschäftsklimastudie der AHK gibt die Mehrheit der befragten Unternehmen an, dass HR-Themen nach wie vor die größte Schwierigkeit im China-Geschäft darstellen, noch vor der unzureichenden Rechtssicherheit und der Verlangsamung des Wirtschaftswachstums.

Ob es um die Rekrutierung eines „China Representative”, eines „Technical Sales Managers” oder eines „Project Managers” für ein deutsches Unternehmen im Reich der Mitte geht, die typische Bewerbersituation gestaltet sich annähernd identisch. Wenn der Recruiter den Telefonhörer in die Hand nimmt und den chinesischen Kandidaten für ein Bewerbungsgespräch anruft, passiert meist Folgendes: Der Jobsuchende, dessen Lebenslauf recht gut zum Jobprofil passt, spricht selbstbewusst von seiner „langjährigen“ und „reichen“ Berufserfahrung. Fragt der Recruiter jedoch konkret nach Beispielen, Vorgehensweisen oder Details in Bezug auf zentral wichtige Arbeitsvorgänge, so zerfällt der anfangs gute Eindruck in Sekundenschnelle. Den Kandidaten hält dies jedoch nicht davon ab, am Ende des Gesprächs eine Gehaltsvorstellung zu nennen, die dem Recruiter oft die Sprache verschlägt.

Hohe Gehaltsvorstellungen

Natürlich gibt es auch sehr gute Kandidaten, die bereits für ausländische Unternehmen gearbeitet haben, gut Englisch oder sogar Deutsch sprechen und die hohen fachlichen Anforderungen deutscher Unternehmen ganz oder zumindest annähernd erfüllen. Doch diese seltenen Kandidaten wissen auch, dass sie einen hohen Marktwert besitzen und fordern oft ein Premiumgehalt. Nicht selten liegen die Gehälter von wirklich guten Kandidaten für bestimmte Managementpositionen sogar über dem europäischen oder nordamerikanischen Niveau.

Hier zeigt sich die zunehmende Schwierigkeit für Personalabteilungen bei der Suche nach chinesischen Talenten: Einerseits ist es sehr mühsam, überhaupt geeignete Kandidaten zu identifizieren, andererseits sind sehr gute Kandidaten teuer. Der Personaler steht dann vor einem Dilemma: Entscheidet er sich für den exzellenten und damit teuren Bewerber, kommt die Sorge auf, wie man diese hohen Personalkosten rechtfertigen kann. Oder entscheidet er sich lieber für einen Kandidaten, der keine oder kaum Berufserfahrung hat und den man lange Zeit anlernen und weiterbilden muss?

Andere Stärken als europäische Kandidaten

Nicht nur der Mangel an gut ausgebildeten und mit relevanter Berufserfahrung ausgestatteten Fachkräften ist ein Problem, sondern auch die oft starre Haltung der deutschen Personaler. Chinesen sind vor dem Hintergrund der eigenen kulturellen Werte weniger an Details interessiert, sondern fokussieren sich auf schnelle, pragmatische Lösungen. Sie sind auch nicht so sehr damit vertraut, Ziele in feste Planungen zu überführen und dann Teilschritte zu definieren. Vielmehr agieren sie spontan, flexibel, mit einem effizienten Netzwerk an Beziehungen und springen gerne schnell zwischen verschiedenen anstehenden Aufgaben.

Schätzen sollte man auch einen anderen Vorzug von chinesischen Kandidaten: Sie sind oft nicht nur sehr flexibel, schnell und fleißig, sondern auch sehr „folgsam“, wenn der Vorgesetzte spontan neue Arbeitsaufträge für sie hat. Dass chinesische Kandidaten bei der Erfüllung von Aufgaben, die aus deutscher Sicht sehr viel Planung und Detailtreue erfordern, naturgemäß eigene, kulturell erlernte und vertraute chinesische Instrumente der Bewältigung einsetzen, bedeutet nicht, dass sie nicht auch in deutsche Arbeitsweisen hineinwachsen und die hohen Qualitätsanforderungen an Produkte und Services erfüllen können.

Deutsche Personaler agieren bei der Auswahl von chinesischen Bewerbern in vielen Fällen mit deutschgeprägten kulturellen Maßstäben und sehen chinesische Arbeitsweisen oft als zu negativ an. Dass sie dann aufgrund ihrer falschen Erwartungshaltung enttäuscht werden, liegt oft weniger an den Bewerbern als an der Unkenntnis über die besonderen Stärken und Schwächen der chinesischen Arbeitsweise.

Dies ist auch der Grund, warum erfolgreiche deutsche Unternehmen in China wissen, dass es sehr sinnvoll sein kann, Kandidaten mit passender Persönlichkeit, ausreichender relevanter Arbeitserfahrung, guter Arbeitseinstellung und fachlichem Potenzial einzustellen und sie dann für eine überschaubare Zeit zu trainieren und ihnen Mentoren an die Seite zu stellen. Zu berücksichtigen ist auch, dass die Zusammenarbeit mit chinesischen Bewerbern, die bereits für deutsche oder europäische Unternehmen gearbeitet haben, besser klappt und vor allem die Kommunikation viel weniger Konfliktpotenzial beinhaltet.

Häufig arbeiten die Personalabteilungen deutscher Unternehmen in China mit lokalen Personaldienstleistern wie Recruiting-Agenturen oder Headhuntern zusammen. Jedoch fehlt es häufig – gerade auch bei den chinesischen HR-Managern – an einer psychologisch fundierten Ausbildung, um die Persönlichkeiten und Motivationen von Kandidaten sicher einschätzen können. Es fehlen Recruiter, die in der Lage wären, Eignungen kulturübergreifend und systematisch zu beurteilen, um potenzielle Talente sicher erkennen zu können. Das ist eine Kunst für sich, für die es neben einer guten psychologischen Ausbildung und eines interkulturellen Verständnisses auch einer langjährigen Erfahrung in der Personalauswahl bedarf. In China agieren Personaler und auch viele Headhunter jedoch meist subjektiv und intuitiv und es werden häufig nur Lebensläufe oder Handynummern in Windeseile per E-Mail weiter geleitet. Damit sind teure Fehlbesetzungen vorprogrammiert.

Multinationale Konzerne wie beispielsweise Daimler in Peking oder auch Mittelständler wie der Automobilzulieferer Schlote in Tianjin initiieren nach einem sorgfältigen Recruitment gezielte Trainings und Weiterbildungen in China – und oft auch in Deutschland – sowie eigene maßgeschneiderte Maßnahmen der Berufsbildung, die sich an das deutsche duale System anlehnen. Dadurch können chinesische Mitarbeiter beispielsweise in Technikberufen gezielt auf die speziellen Anforderungen und Qualitätsstandards des Arbeitgebers vorbereitet werden.

Immer stärker setzt sich auch die Erkenntnis durch, dass man zusätzlich auch Maßnahmen und Anreize etablieren muss, um sicher zu stellen, dass die mühsam rekrutierten und ausgebildeten Mitarbeiter auch längere Zeit im Unternehmen bleiben. Sehr gut geeignet sind dafür u. a. folgende Maßnahmen: konkurrenzfähiges Gehalts- und Bonus-System, Verbesserung der Führungsqualitäten von Managern der oberen und mittleren Hierarchie-Stufe, gezieltes Talent-Management, systematische Karriereplanung und Einsatz flexibler Arbeitszeitinstrumente sowie zusätzliche Urlaubstage für langjährige Unternehmenszugehörigkeit. 

Autor/in: 

Dr. Oliver Prüfer ist Leiter des Bereichs Human Resources, Recruitment und Training bei der Deutschen Auslandshandelskammer (AHK) Greater China in Peking (www.china.ahk.de, info@bj.china.ahk.de).

 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 01|2017, Seite 44

 
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