Telefon: +49 911 1335-1335

Kommunalfinanzen und Gewerbesteuer

Was ist angemessen?

IHK Veranstaltung_Kommunalfinanzen und Gewerbesteuern © IHK

Intensive Diskussion: Gerlinde Wanke (Vorsitzende des IHK-Rechts- und Steuerausschusses) mit Nürnbergs Stadtkämmerer Harald Riedel (r.) und Steuerexperte Prof. Dr. Thiess Büttner (Universität Erlangen-Nürnberg; sitzend).

Die Kommunen müssen ihre Investitionen nachhaltig und ausgewogen finanzieren. Bei einer IHK-Veranstaltung wurde diskutiert, ob und wann Gewerbesteuererhöhungen gerechtfertigt sind.

Die Hebesätze der Gewerbesteuer stehen in mittelfränkischen Kommunen immer wieder auf dem Prüfstand. Seit Sommer 2016 wird auch in der Stadt Nürnberg zur Finanzierung der anstehenden Investitionsvorhaben über weitere Einsparungen, zusätzliche Verschuldung sowie höhere Hebesätze für Grundsteuer B und Gewerbesteuer diskutiert. Es gehöre zu den Aufgaben der IHK Nürnberg für Mittelfranken, hierzu Stellung zu beziehen, zumal die Hebesatzpolitik der größten mittelfränkischen Kommune in der gesamten Metropolregion aufmerksam verfolgt werde, so IHK-Hauptgeschäftsführer Markus Lötzsch.

Daher hat die IHK den Vorsitzenden des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundesfinanzministerium, Prof. Dr. Thiess Büttner, um die Erarbeitung einer Kurzexpertise zum Thema Kommunalfinanzen und Gewerbesteuer gebeten. Ziel war es, zu untersuchen, mit welcher Veränderung des Gewerbesteueraufkommens zu rechnen ist, wenn der Hebesatz erhöht wird. Dabei sollten neben statistischen Erkenntnissen auch praktische Erfahrungen etwa zu Gewinnverlagerungen oder gar zur Verlegung von Standorten aus anderen bundesdeutschen Städten und Ballungsräumen einfließen.

Als Alternative zu Abgabenerhöhungen kommt für Kommunen gerade bei Investitionen, die über eine längere Zeit genutzt werden, auch Kreditfinanzierung in Frage. Weiterhin ist zu bedenken, dass Investitionen insbesondere im Bereich der kommunalen Verkehrsinfrastruktur sowie der Kultur gerade auch durch Bürger angrenzender Gebietskörperschaften („Speckgürtel“) intensiv genutzt werden. Das wirft nach Worten von IHK-Präsident Dirk von Vopelius die Frage auf, ob dies nicht eine grundsätzliche Reform von Finanzbeziehungen in Stadt-Umland-Verflechtungsgebieten erfordert, um Kommunen des „Speckgürtels“ in einen „Abgaben- und Investitionsfinanzierungs-Verbund“ einzubinden. Schließlich gibt es noch die Variante einer von vornherein zeitlich befristeten Erhöhung von Hebesätzen mit anschließender Rückkehr auf das Niveau von 2016.

Prof. Büttners Analyse der kommunalen Einnahmeperspektiven ergab zwar mögliche Mindereinnahmen bei der Einkommensteuerumlage im Fall einer Einkommensteuerreform, doch auch mögliche Mehreinnahmen aus dem Länderfinanzausgleich. Dieser bringt Bayern künftig 1,1 Mrd. Euro pro Jahr mehr, wovon auch die Kommunen profitieren. In noch längerer Perspektive könnte eine Reform der Grundsteuer gerade Kommunen wie Nürnberg mit deutlich gestiegenen Grundstückspreisen zusätzliche Einnahmen in die Kassen spülen, jedoch vermutlich erst in zehn Jahren. Kräftige Zuwächse in näherer Zukunft sehen die aktuellen Steuerschätzungen für die Gemeinschaftssteuern, deren Aufkommen sich Bund, Länder und Gemeinden teilen: Lohn- und veranlagte Einkommensteuer würden demnach um jährlich zehn bis 15 Mrd. Euro wachsen, die Umsatzsteuer um sechs bis sieben Mrd. Euro. Da die Gewerbesteuer aufgrund von Steuerplanungseffekten und eines intensivierten Steuerwettbewerbs mit Umlandgemeinden mit hohen Zusatzkosten verbunden sei, warnte Büttner davor, das mögliche Zusatzaufkommen bei Hebesatzerhöhungen zu optimistisch zu schätzen. Nach empirischen Erfahrungen in Bayern aus den Jahren 2008 bis 2015 stiegen die Einnahmen nur unterproportional mit dem Hebesatz: Die Einnahmewirkung sei mit einer Elastizität von 54 Prozent gerade einmal halb so hoch gewesen wie veranschlagt.

 Bei der IHK-Veranstaltung referierte auch Nürnbergs Stadtkämmerer Harald Riedel über kommunale Finanzierungsmöglichkeiten. Riedel geht davon aus, dass bis zum Jahr 2026 ein Investitionsbedarf von 2,83 Mrd. Euro besteht und das Finanzierungsdefizit 725 Mio. Euro beträgt. Deshalb warb er bei seinem Vortrag um eine ausgewogene Mischung aus Sparen, Mehreinnahmen und Verschuldung, um dieses Defizit zu decken. Mitgebracht hatte Riedel den Vorschlag eines „Nürnberger Investitionspaktes Bildung, Kultur, Verkehr“: Danach würde die geplante Erhöhung der Hebesätze von Grund- und Gewerbesteuer auf zehn Jahre zeitlich befristet. Aus den Mehreinnahmen sollen jährlich 25 Mio. Euro zur Finanzierung von Großprojekten in Bildung, Verkehr und Kultur verwendet werden. Am Ende soll in 2026 im Dialog mit Bürgern und Wirtschaft vom Stadtrat Bilanz gezogen und über die Rücknahme der Erhöhung entschieden werden. Offen zeigte sich Riedel auch für die Anregung, statt der vorgesehenen Anhebung des Hebesatzes auf 470 Prozent doch „einen Schluck darunter zu bleiben“ – immerhin wäre das ein Signal, weil man dann immer noch etwas attraktiver für Unternehmen bleibe als München (490) und Augsburg (470).

Autor/in: 

rb.

 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 01|2017, Seite 70

 
Device Index

Alle Ansprechpartner/innen auf einen Blick