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Sanierungsrecht

Neue Wege aus der Krise

Illu_Original_WiM_0221 © Anton Atzenhofer

Sanierung ohne Insolvenz: Neues Gesetz bietet flexiblen Rechtsrahmen für die Restrukturierung.

Unternehmen, denen die Zahlungsunfähigkeit droht, haben seit 1. Januar 2021 mit dem "Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen" ("StaRUG-Verfahren") eine neue Möglichkeit, sich eigenverantwortlich zu sanieren und so eine Insolvenz abzuwenden. Möglich wurde dies durch das Sanierungs- und Insolvenzrechts-Fortentwicklungsgesetz (SanInsFoG), mit dem der Gesetzgeber das deutsche Sanierungsrecht neu justierte. Durch dieses Rahmengesetz wurden zahlreiche Vorschriften, insbesondere der Insolvenzordnung, geändert sowie das neue Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz (StaRUG) eingeführt.

Grundlage für das StaRUG-Verfahren ist ein mehrheitlich angenommener Restrukturierungsplan, der notfalls auch gegen den Willen einzelner Gläubiger durchgesetzt werden kann. Sind sich alle Beteiligten einig, kann die Restrukturierung ähnlich wie bisher ohne Hinzuziehung eines Gerichts umgesetzt werden. Bei Widerständen kann nun aber auch ein Restrukturierungsgericht angerufen werden, um einer Sanierung zum Durchbruch zu verhelfen.

Das neue Gesetz geht auf die EU-Richtlinie (2019/1023) aus dem Jahr 2019 zurück, mit der das Sanierungsrecht harmonisiert und ein Weg für die frühzeitige und präventive Restrukturierung eröffnet werden sollte, um die Zahl der Insolvenzverfahren zu reduzieren. Eigentlich hätte der Gesetzgeber noch bis 14. Juli 2021 Zeit gehabt, die EU-Richtlinie in nationales Recht umzusetzen. Mit der vorgezogenen Gesetzgebung dürfte sich für viele von der Corona-Krise gebeutelten Unternehmen eine echte Chance eröffnen, ihr Fortbestehen zu sichern. Deshalb hatte auch der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) die Richtlinie gemeinsam mit anderen Spitzenverbänden der Wirtschaft ausdrücklich begrüßt und auf eine rasche Umsetzung in deutsches Recht gedrängt.

"Das Beste aus zwei Welten"

Zur Sanierung von drohend zahlungsunfähigen Unternehmen standen bislang im Wesentlichen zwei Optionen zur Verfügung:

Eine (konsensuale) Restrukturierung konnte auch bisher diskret und flexibel, aber nur außergerichtlich durchgeführt werden, was Einigkeit aller Beteiligten voraussetzte. Einzelne sogenannte Akkordstörer konnten sie leicht vereiteln und damit eine Insolvenz erzwingen. Auch standen stets erhebliche Rechtsunsicherheiten im Raum.

Mit einem Insolvenzverfahren (Regelinsolvenz, Eigenverwaltungs- oder Schutzschirmverfahren) können die Rechtspositionen auch gegen den Willen einzelner Gläubiger rechtssicher beschnitten werden. Es erstreckt sich aber zwangsläufig auf sämtliche Gläubiger. Nachteilig sind insbesondere der erhebliche Aufwand, die hohen Kosten sowie die obligatorische Information der Öffentlichkeit. Letzteres erschwert einem durch Insolvenz sanierten Unternehmen oft den Neustart, weil ihm der "Makel" der Insolvenz anhaftet.

Das StaRUG-Verfahren bietet nun ein förmliches, aber flexibles und diskretes Restrukturierungsverfahren, das nicht von Minderheiten zu Fall gebracht werden kann, und dabei die verbliebenen finanziellen Ressourcen schont – eben das Beste aus zwei Welten.

Das StaRUG-Verfahren im Überblick

Zwingende Voraussetzung für eine Sanierung nach dem StaRUG ist, dass dem Unternehmen die Zahlungsunfähigkeit droht. Es darf aber weder bereits eine Zahlungsunfähigkeit eingetreten sein, noch darf eine rechtliche Überschuldung im Sinne der Insolvenzordnung (InsO) vorliegen.

Grundlage für das Verfahren ist ein Restrukturierungsplan, der in Form, Inhalt und Funktion einem Insolvenzplan ähnelt. Aus ihm muss sich erschließen, dass die Überwindung der Unternehmenskrise als überwiegend wahrscheinlich gelten kann. Mit Hilfe des Plans können die Rechte der Betroffenen weitgehend rechtssicher gestaltet (z. B. geändert oder reduziert) werden. Die einzubeziehenden Gläubiger können nach sachlichen Kriterien weitgehend frei gewählt und zu Gruppen zusammengefasst werden, in denen über die Annahme des Plans abgestimmt wird. Wird der Plan von allen Planbetroffenen einstimmig angenommen, kann das gesamte Verfahren unter der Leitung des Schuldners außergerichtlich, zeit- und kosteneffizient umgesetzt werden.

Der Schuldner kann aber auch ein Restrukturierungsgericht anrufen, um Unterstützung durch folgende "Stabilisierungs- und Restrukturierungsinstrumente" des StaRUG zu erhalten:

  • Abstimmungsverfahren: Das Gericht koordiniert die Abstimmung der Planbetroffenen über den Restrukturierungsplan.
  • Vorprüfung des Restrukturierungsplans: Durch die vorherige Prüfung können Fragen, die für die Bestätigung des Plans wichtig sind, vorab geklärt werden.
  • Gerichtliche Bestätigung des Restrukturierungsplans, sodass dieser auch gegen widersprechende Planbetroffene verbindlich wird.
  • Stabilisierungsanordnung: Damit kann das Gericht den Schuldner zunächst für drei Monate vor Vollstreckungs- und Sicherungsverwertungsmaßnahmen einzelner Gläubiger schützen und ihm dadurch Luft verschaffen, um den Plan ausarbeiten zu können. 

Die Instrumente können je nach Bedarf und unabhängig voneinander beantragt und kombiniert werden. Dies empfiehlt sich vor allem dann, wenn mit Widerstand einzelner Gläubiger zu rechnen ist. Fehlende Einstimmigkeit kann dann durch das Gericht ersetzt werden, wenn in allen Gruppen drei Viertel der Betroffenen zustimmen. Fehlt diese Mehrheit in einzelnen Gruppen, kann sie unter bestimmten Voraussetzungen sogar durch einen sogenannten "Cross-class Cram-down" fingiert werden.

Mit der Gestaltungskraft des Restrukturierungsplans und der Flexibilität der modularen Instrumente stellt das StaRUG eine Art "Werkzeugkasten" zur Sanierung ohne Insolvenz dar.

Der Restrukturierungsplan im Detail

Folgende Rechtsverhältnisse können im Restrukturierungsplan gestaltet werden:

  • Forderungen – auch solche, die nur bedingt oder noch nicht fällig sind.
  • Absonderungsanwartschaften, z. B. (Grund-)Pfandrechte oder Sicherungsübereignungen
  • Anteils- und Mitgliedschaftsrechte der Gesellschafter (z. B. Dept-Equity-Swap)
  • gruppeninterne Drittsicherheiten (Beispiel: Ein Tochterunternehmen hat für Verbindlichkeiten des Mutterunternehmens Sicherheiten bestellt.) 

Forderungen aus laufenden gegenseitigen Verträgen (z. B. Miet- oder Lieferverträge) können in den Restrukturierungsplan nur insoweit einbezogen werden, als Leistungen der Gläubiger bereits erbracht sind. Für beiderseits unerfüllte Verträge wollte die Bundesregierung mit einer gerichtlichen Vertragsbeendigung ein fünftes Restrukturierungsinstrument schaffen. Dieses wurde jedoch vom Rechtsausschuss bedauerlicherweise kurz vor der Abstimmung im Bundestag aus der Beschlussvorlage gestrichen. Forderungen von Arbeitnehmern aus deren Arbeitsverhältnis (einschließlich bestehender Pensionsansprüche) können überhaupt nicht in den Plan einbezogen werden.

Die Forderung der Kreditwirtschaft, für einen Restrukturierungsplan auch leistungswirtschaftliche Sanierungsmaßnahmen verbindlich vorzuschreiben, blieb ungehört. Dies hätte jedoch der Nachhaltigkeit von Restrukturierungen und somit dem Gläubigerschutz gedient.

Der Restrukturierungsplan wird grundsätzlich durch den Schuldner selbst umgesetzt. Unter bestimmten Voraussetzungen (z. B. wenn ein "Cross-class Cram-down" erforderlich war) wird dem Schuldner vom Gericht ein Restrukturierungsbeauftragter zur Seite gestellt, der darüber wacht, dass die Interessen der Gläubiger gewahrt werden. Die im Plan getroffenen Regelungen (z. B. Zahlungen an Planbetroffene) sind damit bis zur nachhaltigen Restrukturierung weitgehend vor Anfechtungen geschützt. Wenn die Betroffenen wie im Plan festgelegt befriedigt wurden, wird der Schuldner gegenüber diesen von den restlichen Verbindlichkeiten befreit.

Der gesamte Vorgang der Restrukturierung – gleich, ob er gerichtlich oder außergerichtlich durchgeführt wird – findet grundsätzlich ohne irgendeinen Registereintrag oder eine anderweitige Veröffentlichung statt. Damit soll für das sanierte Unternehmen ein Stigma wie bei der Insolvenz vermieden werden.

Pflichten und Haftung für Geschäftsleiter

An prominenter Stelle (§ 1 StaRUG) wird für Geschäftsleiter haftungsbeschränkter Rechtsträger (also z. B. auch bei GmbH & Co. KG) die Pflicht festgeschrieben, mögliche Krisenursachen zu überwachen (Krisenfrüherkennung) und Gegenmaßnahmen zu ergreifen (Krisenmanagement). Damit sind künftig auch kleine und mittlere Unternehmen (KMU) zum Risikomanagement verpflichtet. Auch sie müssen nun zwingend eine fortlaufende Unternehmens- und Finanzplanung betreiben, um ihre Risiken einschätzen zu können. Diese Pflichten gelten über das StaRUG hinaus – also unabhängig davon, ob eine Restrukturierung erfolgt oder nicht.

Während eines Restrukturierungsverfahrens gilt für die Geschäftsleiter eine besondere Sorgfaltspflicht, um die Interessen der Gesamtheit aller Gläubiger zu wahren. Hat der Geschäftsleiter Pflichtverletzungen zu vertreten, so haftet er persönlich für den Schaden, der den Gläubigern hierdurch entstanden ist.

Weitere Rechtsänderungen

Mit dem SanInsFoG wurden auch zahlreiche Vorschriften anderer korrespondierender Gesetze geändert. So wurde in der InsO der Zugang zum Eigenverwaltungs- und zum Schutzschirmverfahren erschwert. Die Insolvenzantragsfrist bei Überschuldung wurde hingegen von drei auf sechs Wochen verlängert. Der Zeitraum, über den hinweg eine drohende Zahlungsunfähigkeit prognostiziert werden muss, wurde auf "in der Regel 24 Monate" fixiert. Eine Überschuldung ist nur noch "in den nächsten zwölf Monaten" auszuschließen. Somit entsteht ein "Zeitfenster" für das StaRUG-Verfahren. Zu beachten ist auch, dass im Falle pandemiebedingter Überschuldungsrisiken der Prognosezeitraum bis Ende 2021 auf vier Monate reduziert ist.

Insgesamt hat das SanInsFoG mit dem neuen StaRUG-Verfahren und den darauf abgestimmten Gesetzesänderungen (insbesondere in der Insolvenzordnung) das deutsche Sanierungsrecht wesentlich verbessert. Bemerkenswert ist der präventive Charakter: Das StaRUG verpflichtet nun auch kleine und mittlere Unternehmen zum Risikomanagement und damit zu einer regelmäßigen Unternehmens- und Finanzplanung. Krisen sollen dadurch früher erkannt und Sanierungsmaßnahmen rechtzeitig eingeleitet werden. Den Unternehmen, die das beherzigen, bietet das StaRUG ein diskretes, flexibles, rechtssicheres und vergleichsweise kostengünstiges Sanierungsinstrumentarium, mit dem sich das Stigma einer Insolvenz vermeiden lässt. Wer hingegen zu lange wartet, hat nunmehr höhere Hürden zu nehmen, um sich über eine Insolvenz im Eigenverwaltungsverfahren zu sanieren.

Das neue Recht lässt also hoffen: Es dürfte dazu beitragen, die befürchtete Corona-bedingte Insolvenzwelle deutlich abzuflachen.

Autor/in: 

Diplom-Kaufmann und Steuerberater Roland Reichstein leitet eine Steuerkanzlei in Lauf a. d. Pegnitz, die auf Restrukturierung, Sanierung und Veränderungsprozesse spezialisiert ist (www.sanierungskanzlei.com).

 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 02|2021, Seite 30

 
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