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Führungskultur

Wie geht Motivation?

Den Mitarbeitern etwas zutrauen, Eigenverantwortung stärken: Anregungen für eine moderne Führung. Von Frank Endreß; Illustration: Anton Atzenhofer

Digitalisierung, technologischer Wandel, verschärfter Wettbewerb durch E-Commerce und hohe Anforderungen bei Nachhaltigkeit und Klimaschutz: Das sind nur einige der aktuellen Herausforderungen, die Unternehmen zu bewältigen haben. Traditionelle Führungsstrukturen und -konzepte, die z. B. auf Anweisungen von oben nach unten setzen, funktionieren hier nicht mehr. Sie widersprechen auch den Vorstellungen junger Mitarbeiter bis 40 Jahre (sogenannte Generation Y und Z). Diese Generationen sind sehr gut ausgebildet und besitzen wertvolles Know-how für die digitale Transformation. Führungskräfte haben die Aufgabe, die Unternehmenskultur durch ihr Verhalten so zu gestalten, dass junge Fachleute gerne dort arbeiten und die genannten Herausforderungen motiviert angehen. Das ist aus zwei Gründen bedeutsam: Erstens hat das Führungsverhalten einen wesentlichen Einfluss auf die emotionale Bindung der Mitarbeiter zum Unternehmen und damit zu ihrer Leistungsbereitschaft. Studien des Meinungsforschungsinstituts Gallup zufolge erbringt ein emotional gebundener Mitarbeiter eine um 22 Prozent höhere Leistung als jemand, der innerlich gekündigt hat. Rund 20 Prozent der Beschäftigten gaben laut Gallup an, dass sie die Führungskultur nicht dazu motiviert, hervorragende Arbeit zu leisten. Zweitens wirken Mitarbeiter, die sich emotional stark mit ihrem Unternehmen identifizieren, nach außen als Botschafter für ihren Arbeitgeber. Und durch Job-Bewertungen in Portalen wie Kununu wird sichtbar, wie es um die Unternehmenskultur steht.

Um besser zu werden, muss man neues Wissen und neue Fähigkeiten fördern. Damit werden die Beschäftigten nicht nur produktiver, sondern auch stärker an das Unternehmen gebunden. Weiterbildungsangebote, die als wertschätzend empfunden werden, sind daher ein wichtiger Baustein moderner Führung. Für junge Leute sind zudem Eigenverantwortung, eine konstruktive Fehlerkultur und die Sinnhaftigkeit ihrer Aufgaben wichtig. Hier müssen Führungskräfte berücksichtigen, dass die Generationen Y und Z ein völlig anderes Werteverständnis haben als die Generation X. Jüngere Angestellte legen u. a. Wert auf Sinn und Spaß an der Arbeit, Work-Life-Balance sowie Freiheit bei Homeoffice und Arbeitszeiten. Karriere bedeutet für diese Generation nicht eine möglichst hohe Position, sondern individuelle Verwirklichung. Die Prioritäten älterer Generationen liegen dagegen eher auf Gehalt, klaren Regeln, Kompetenzen und Führungshierarchien. Altermäßig gemischte Teams sind also eine besondere Herausforderung an die Führung. Hier kommt es darauf an, situativ und mit hoher sozialer und emotionaler Kompetenz zu führen. Dem Feedback an die Beschäftigten kommt dabei eine wichtige Rolle zu.

Gegenseitiges Feedback

Führungskräfte sollten den Mut haben, ihr Tun regelmäßig zu reflektieren, etwa mit jährlichen Mitarbeitergesprächen. So bekommen nicht nur die Beschäftigten ein Feedback für ihre Arbeit, sondern es wird auch festgelegt, welche neuen Fähigkeiten entwickelt werden sollten und mit welchen Maßnahmen das geschehen kann. Zudem bekommt die Führungskraft eine Rückmeldung, wie ihr Führungsverhalten ankommt, wie die Zusammenarbeit eingeschätzt wird und was aus Sicht der Mitarbeiter zu verbessern wäre. Die Chance für ein konstruktives Feedback ist höher, wenn man seine Mitarbeiter immer angemessen informiert und von vornherein aktiv in Entscheidungsprozesse mit einbezieht. Das kostet mehr Zeit, hat aber den Vorteil, dass das Team dann die Aufgaben wesentlich effektiver angeht, da mögliche Missverständnisse und Blockaden im Vorfeld geklärt werden können. Außerdem ist die Identifikation mit den Aufgaben wesentlich höher. Eine solche Führungskultur setzt voraus, dass den Mitarbeitern ein Vertrauensvorschuss gewährt wird sowie deren Anregungen und Verbesserungsvorschläge gewünscht sind und ernst genommen werden. Wichtig ist eine konstruktive Fehlerkultur, bei der Fehler nicht als Versagen, sondern als Anlass zum Lernen und zur Weiterentwicklung aufgefasst werden. Wer alles kontrollieren will, darf sich nicht wundern, wenn man für die eigentliche Arbeit keine Zeit mehr hat. Eine Führung, die nur auf Kontrolle setzt und angstbesetzt ist, wird vor allem junge, gut ausgebildete Kollegen abschrecken bzw. aus dem Unternehmen treiben.

Bei der heute häufig angewandten dezentralen Netzwerk-, Projekt- oder Matrix-Organisation müssen Mitarbeiter nach ihren Talenten und Fähigkeiten optimal eingesetzt werden. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit, die Eigenverantwortung der Mitarbeiter zu fördern und auch zu fordern. Führungskräfte müssen lernen, sich zurückzunehmen und an den richtigen Stellen situativ einzugreifen. Voraussetzung für solch eine agile und situative Führung ist, dass die Beschäftigten den kompletten Prozess kennen und entsprechend informiert sind. Das erfordert aber, dass sich Führungskräfte intensiv mit den Fähigkeiten ihrer Teammitglieder auseinandersetzen. Daran hapert es häufig, da viele Führungskräfte intensiv im Tagesgeschäft eingebunden sind und sich z. B. nicht die Zeit für Teambesprechungen nehmen. Daher sollte man mit den Beschäftigten Zielvereinbarungen formulieren und bei Feedback-Gesprächen diskutieren, wie die Aufgabe bisher erfüllt wurde, welche Schwierigkeiten aufgetreten sind und wie sie gelöst wurden. Selbstständig erreichte Ziele motivieren die Mitarbeiter, sich höheren Zielen zu stellen. So kommt eine positive Erfolgsspirale in Gang, die dazu führt, dass sich die Fähigkeiten und Leistungen des Teams permanent verbessern und erweitern. Dies alles dürfte gerade von den Mitarbeitern der Generation Y und Z als motivierend und wertschätzend empfunden werden, sodass sie sich stärker mit dem Unternehmen identifizieren.

Motivation steigern

Hoch motivierte Angestellte tragen entscheidend zum Unternehmenserfolg bei. Wenn man sie nachhaltig motivieren will, muss man sich dafür interessieren, wie sie arbeiten und wie sie Ziele erreicht haben. Ein Zeichen der Wertschätzung ist es, ihnen Gelegenheit zu geben, Erfolge angemessen, zeitnah und individuell zu kommunizieren. Jede Führungskraft muss seine Mitarbeiter gut genug kennen, um zu wissen, was für den Einzelnen gut ist und welche Art von Motivation bei ihm ankommt. Kritikgespräche sind im Führungsalltag häufig eine große Herausforderung. Es geht darum, die Abweichung einer Leistung genau aufzuzeigen und mit dem Mitarbeiter zu diskutieren, woher die Abweichung stammt. Eine der wichtigsten Fragen dabei: Kann der Mitarbeiter nicht oder will er nicht? Im ersten Fall hängt es oft an den Rahmenbedingungen, bei deren Verbesserung die Führungskraft aktiv Hilfe anbieten kann. Im zweiten Fall ist genau zu ermitteln, was zu dem Verhalten geführt hat, das die Minderleistung nach sich zieht. Jede Führungskraft sollte fähig sein, „sympathischen Klartext“ zu sprechen, da es erheblich zu dessen Akzeptanz beiträgt.

Die größte Herausforderung für die Führungskultur ist allerdings die Zeit: Laut einer Forsa-Studie investieren Führungskräfte nur etwa 13 Prozent ihrer verfügbaren Zeit für Führungsaufgaben wie individuelles Coaching, Mitarbeiterinformation, Teamgespräche und Konfliktmanagement. Hochgerechnet auf eine 40-Stunden-Woche verbringen Führungskräfte also gerade einmal eine Stunde pro Woche mit direkter Führungsarbeit. Geht man davon aus, dass eine Führungskraft maximal zehn Beschäftigte direkt führen kann, bleiben pro Woche und Person gerade einmal sechs Minuten. Hier stellt sich die Frage, wie eine persönliche Entwicklung überhaupt stattfinden kann. Geeignete Maßnahmen für die persönliche Weiterentwicklung von Mitarbeitern sind beispielsweise frühzeitiges Miteinbeziehen in wichtige Entscheidungsprozesse, eigenverantwortliches Arbeiten, selbständiges Umsetzen von Verbesserungsvorschlägen und mögliche Freiräume, was den Ort und die Zeit der Arbeit angeht. Zudem ist es wichtig, die Mitarbeiter angemessen und zeitnah zu orientieren und zu informieren. Proaktive Kommunikation ist eines der wichtigsten Führungsinstrumente, wofür aber auch genug Zeit sein muss. Ein weiterer Bestandteil guter Führungskultur ist ein zeitgemäßes betriebliches Vorschlagswesen. Wichtige Bausteine sind z. B. moderierte Workshops, virtuelle und über verschiedene Bereiche zusammengesetzte Kreativ-Teams sowie eine Unternehmenskultur, nach der es grundsätzlich jeder Vorschlag wert ist, umgesetzt zu werden. Modern organisierte Unternehmen lassen ihre Angestellten die Vorschläge selbst umsetzen und belohnen die Belegschaft im Ganzen.

Vertrauenskultur schaffen

Eine moderne Variante von Unternehmenskultur ist die Vertrauenskultur: Sie kommt dem Wunsch der Mitarbeiter nach, eigenverantwortlich handeln zu dürfen und den Sinn ihrer Arbeit zu erkennen. Als Führungskraft ist man hier mehr Coach, Förderer und Moderator als Kontrolleur. Die Spielregeln einer solchen Zusammenarbeit erarbeitet man am besten gemeinsam mit allen Beschäftigten. Wenn dieses Konzept dauerhaft erfolgreich sein soll, müssen Führungskräfte und ihre Teammitglieder darauf achten, dass diese Spielregeln tagtäglich gelebt werden. Eine zielorientierte, individuelle Auseinandersetzung mit Menschen ist in solch einem Umfeld die Basis für erfolgreiche Führungsarbeit.

Autor/in: 

Frank Endreß aus Ansbach ist Trainer für Führungskräfte und für den Seminaranbieter Pallas tätig (www.pallas-seminare.de/team/frank-endress).

 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 09|2021, Seite 30

 
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