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Start-ups

Vom Gründerfieber gepackt

Technische Forschung © Gorodenkoff/GettyImages.de

Gründer und junge Unternehmen bleiben trotz Wirtschaftsflaute zuversichtlich. Aber die Kapitalgeber prüfen jetzt genauer.

Der Weg von einer Geschäftsidee zum eigenen Unternehmen ist nicht nur ein individuelles Projekt. Denn eine lebhafte Gründungsdynamik verleiht der gesamten Wirtschaftsregion Impulse, von den positiven Effekten bei Beschäftigung, Steuereinnahmen oder Innovation profitieren auch etablierte Unternehmen. Wie steht es nach den Corona-Jahren und angesichts des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine um die Stimmung in der Gründerszene?

Trotz Energiekrise, Inflation und schlechter Prognosen der Wirtschaftsinstitute ist Yvonne Stolpmann, Gründungsexpertin der IHK Nürnberg, optimistisch: In Mittelfranken sei der coronabedingte Einbruch bei den Gewerbeanmeldungen im Jahr 2020 längst überwunden. Schon ein Jahr später habe die Statistik mit fast 15 900 Anmeldungen die Zahlen vor dem Ausbruch der Corona-Pandemie wieder übertroffen. Auch aktuell fehle es nicht an motivierten Gründern, wie die sehr gute Nachfrage nach den IHK-Gründungsseminaren und die rege Beteiligung junger Unternehmer beim IHK-Gründerpreis Mittelfranken zeige.

Ein klarer Trend ist laut Stolpmann feststellbar: "60 Prozent der Gründer setzen zunächst auf Nebenerwerb." So können sie ausprobieren, ob sie ihre Geschäftsidee zu einem zweiten Standbein oder gar zum Hauptberuf machen möchten. Und noch etwas kommt hinzu: Die Lage auf dem Arbeitsmarkt ist trotz der durchwachsenen Konjunkturprognosen robust. Deshalb ist im Gegensatz zu früheren Wirtschaftskrisen die Zahl der Gründer gering, die aus Angst vor der Entlassung den Sprung in die Selbstständigkeit wagen. Positiv gestimmt ist Yvonne Stolpmann auch in punkto Finanzierung: Viele Gründer brächten das benötigte Geld selbst auf oder griffen über ihre Hausbanken auf Gründerkredite von KfW oder LfA zurück.

Auch bei den technologieorientierten Gründungen in der Wirtschaftsregion Nürnberg herrscht weitgehend Zuversicht, so die Einschätzung von Dr. Carsten Rudolph. Er ist Geschäftsführer des Gründer-Netzwerks BayStartUp GmbH in Nürnberg, das vom Bayerischen Wirtschaftsministerium ins Leben gerufen worden war. "In Sachen Risikokapital ist die Partystimmung getrübt, aber nicht so schlimm." Über das Netzwerk sind im vergangenen Jahr bayernweit 66 Abschlüsse mit einem Gesamtvolumen von 81 Mio. Euro angestoßen wurden – ein neuer Rekord. Zum Vergleich: Im Jahr 2020 hatte das Volumen der Gründungsfinanzierungen bei 48 Mio. Euro gelegen, auch weil wegen der Lockdowns die Kommunikation zwischen Geldgebern und Gründern behindert war.

Trends bei der Start-up-Finanzierung

Von einer Krise beim Venture Capital, also der Finanzierung von innovativen und potenziell wachstumsstarken Gründungen, kann laut Rudolph keine Rede sein. Das sei nach dem Platzen der Internet-Blase 2001 oder nach der Finanzmarktkrise 2008 anders gewesen. In der Zwischenzeit habe sich eine ganz andere Investoren-Landschaft herausgebildet. Auch in dem aktuellen "Start-up-Barometer" der Beratungsgesellschaft Ernst & Young (EY) sieht er noch kein Alarmsignal: Nach deren Berechnungen ist das ausgereichte Risikokapital im Jahr 2022 bundesweit um 43 Prozent auf 9,9 Mrd. Euro eingebrochen. Aber das ist immer noch das zweitstärkste Jahresergebnis. Ein Grund für den starken Rückgang sind einzelne, außergewöhnlich hohe Finanzierungsrunden im Jahr 2021 gewesen (z. B. allein rund 650 Mio. Dollar für die Münchner FlixBus-Mutter FlixMobility), die die Statistik mitgeprägt haben.

Rudolph sieht derzeit folgende Tendenzen beim Verhalten der Investoren: Sie überprüfen ihre laufenden Engagements bei Start-ups und finanzieren dort gegebenenfalls mit vorhandenem Geld nach. Festzustellen ist auch eine gewisse Konsolidierung bei Finanzierungen im Consumer-Bereich – etwa bei den Lieferdiensten, die in Corona-Zeiten einen gewaltigen Schub bekamen. Ernüchterung herrscht teilweise bei erfolgreichen und betuchten Unternehmern, die als sogenannte Business Angels in den letzten Jahren auf der Suche nach alternativen Anlagemöglichkeiten bei Start-ups eingestiegen sind. Sie stellen laut Rudolph nun fest, dass solche Finanzierungen immer ein riskantes Investment sind. Eine Reihe dieser unerfahrenen Investoren und Business Angels ziehe sich nun wieder zurück.

Generell wird es für Start-ups und ihre Finanzierungswünsche schwieriger: "Die Zeiten werden härter", so Rudolph. So sinken beispielsweise die Bewertungen, für einen Anteil an einem Jungunternehmen gibt es weniger Kapital. Auch die Ausarbeitung der Geschäftsidee wird wieder genauer geprüft. Bei dem dreistufigen "Businessplan-Wettbewerb Nordbayern", der von BayStartUp organisiert wird und der im Januar wieder gestartet ist, dürfte deshalb wieder mehr Schulung und Coaching gefragt sein (siehe Info-Kasten).

Den angehenden Unternehmern, die auf der Suche nach Finanziers sind, rät er zu einer Kundenvalidierung der Geschäftsidee. Damit meint er im Idealfall erste Umsätze. Zumindest sollte man aber drei belastbare Aussagen von potenziellen Kunden zur Hand haben, die ein Investor bei der Entscheidungsfindung auch anrufen kann. Unter dem Strich wird also die Überzeugungsarbeit aufwändiger. Es gibt aber weiterhin Erfolgsmeldungen: So sammelte das Nürnberger Start-up Traplinked gerade 2,7 Mio. Euro in einer weiteren Finanzierungsrunde ein. Traplinked bietet eine digitale Lösung, um Schädlinge zu überwachen und Bekämpfungserfolge zu messen (www.traplinked.com).

Der Investor Dr. Ulrich Eisele engagiert sich nicht nur als Juror bei BayStartUp, sondern auch finanziell mit seinem jungen Münchner Fonds "Seed4Tech Venture Capital". Nachdem er zuvor das Geschäft für andere betrieben hatte, gründete Eisele im letzten Jahr seine eigene VC-Gesellschaft und gewann erste Lead-Investoren. "Das Fundraising für den Fonds war in dem Umfeld nicht ganz einfach", berichtet Eisele. In diesem Jahr sollen dann die ersten Investments erfolgen, vor allem in Süddeutschland, Österreich, der Schweiz und Frankreich. Er hält aus professionellem Interesse ständig Ausschau nach interessanten Geschäftsmodellen und ist auch mit anderen Kapitalgebern gut vernetzt. Im derzeit unsicheren Wirtschaftsumfeld stehe bei den Geldgebern eher das Thema Konsolidierung im Fokus. Das sei gerade für Jungunternehmen, die Neu-Investoren suchen, eine Herausforderung. Dabei seien die VC-Fonds aktuell finanziell gut gefüllt, sie würden sich allerdings auch bei Folgefinanzierungen oft nicht als erster Investor vorwagen. In dieser "Lemminge-Industrie", wie Eisele es nennt, schaue jeder auf den anderen, ob der zuerst finanziere. Aber gute Gründer-Teams kämen nach wie vor zu ihrem Geld, daran habe sich nichts geändert.

Ausgründungen aus den Hochschulen

Eine wichtige Rolle bei den technologieorientierten Gründungen spielen die Hochschulen in Mittelfranken. Sie sind auf diesem Feld seit Jahren überaus aktiv und beraten Studenten und Wissenschaftler, die eine Unternehmensgründung planen. Die Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) arbeitet seit 2020 mit der Technischen Hochschule Nürnberg Georg Simon Ohm und der Hochschule Ansbach unter dem Dach der vom Bund geförderten Initiative "Existency" zusammen. Die drei Hochschulen wollen in Mittelfranken tragfähige Start-up-Netzwerke fördern und ein Cluster für die Gründungsförderung etablieren. Schwerpunkte setzt "Existency" auf diese Felder, die wichtige Erfolgsfaktoren für innovative Gründer sind: Qualifizierung der Teams, Netzwerk-Arbeit sowie Entwicklung und Test von Prototypen.

Die Universität Erlangen-Nürnberg hatte schon zuvor ein leistungsstarkes Gründerbüro für die unterschiedlichen Phasen einer wissenschaftsbasierten Gründung: Die "FAU Digital Tech Academy" mobilisiert digitale unternehmerische Talente über die Fakultäten und Fachgrenzen hinweg. Der hochschuleigene "Sandbox Innovation Fund" liefert überzeugenden Gründerteams eine erste Startfinanzierung. Laut Christoph Heynen, Leiter des Bereichs Gründungsberatung und -qualifizierung an der FAU, gibt es weitere Dienstleistungen, wenn die Projekte voranschreiten. Dann unterstützt die FAU beispielsweise dabei, Kontakte zu Einrichtungen wie BayStartUp oder zu den zahlreichen Gründerzentren in der Region herzustellen.

Heynen beobachtet an der FAU eine große Lust, sich für ein Gründerprojekt zu qualifizieren. Nicht nur Studenten, sondern auch Doktoranden oder Postdocs loten das Potenzial einer Gründung aus. "Wir haben relativ viele Überzeugungstäter", weiß Heynen. Einige Gründer werden zwei bis drei Jahre begleitet, bis es tatsächlich zur Gründung kommt. Selbst die Bilanz des zweiten Corona-Jahres 2021 kann sich mit 30 aus der FAU heraus gegründeten Unternehmen sehen lassen. Davon waren neun forschungsbasierte Ausgründungen, zehn Start-ups wurden von Absolventen auf den Weg gebracht. Aus dem Hörsaal heraus entstanden elf studentische Start-ups. Heynen weiß noch von weiteren 16 Gründungen, die von Alumni der FAU aus der Taufe gehoben wurden.           

Die Technische Hochschule Nürnberg stärkt die Gründungskultur mit dem Projekt "Ohm-Potentiale". Dafür werden zum einen Themen der Unternehmensführung stärker in die Lehre integriert. Für die Stiftungsprofessur "Unternehmensgründung" wurde BayStartUp-Chef Rudolph berufen. Zum anderen begleitet ein Gründungsberatungszentrum konkrete Vorhaben von der ersten Idee bis zur Ausgründung. Dazu gehört beispielsweise der "Start-up-Talk", bei dem Gründer aus der Region einen Einblick in ihre Erfahrungen geben, oder der jährliche "Ohm-Venture-Capital-Tag", an dem sich bis zu 20 Gründer präsentieren. Beim "Ohm-Hackathon" lösen Studenten drei Tage lang eine Aufgabe und setzen ihre Lösungen prototypisch um. Und außerdem gibt es einmal im Jahr die "Ohm-Businessplan-Competition", bei der Hochschulangehörige ihre Geschäftsidee als kurzen dreiseitigen Businessplan einreichen. Anschließend werden die Teams mit einem individuellen Coaching bei der Umsetzung unterstützt. An den Erstgesprächen für die Team-Coachings nehmen pro Jahr etwa 30 Gründungsteams teil.

Die Hochschule Ansbach hat seit 2021 alle Inhalte, Programme und Aktivitäten in einer Gründungsberatung gebündelt. Sie unterstützt Studenten, Mitarbeiter, Professoren und Alumni dabei, ihre Geschäftsideen zu realisieren. Neben dem zusätzlichen Zertifikatsprogramm "Start-up License" bietet die Hochschule das Gründungsfreisemester "Start-up Retreat" an. Zentrale Bausteine für einen fächerübergreifenden Innovations- und Gründungsgeist sind die Lehrmodule "How to start up" und ein Hackathon ähnlich wie bei der TH Nürnberg. Um die Zusammenarbeit der Disziplinen auch beim Thema Gründung zu fördern, werden Studenten aus allen drei Fakultäten zusammengebracht.

Johannes Hähnlein leitet an der Hochschule Ansbach die Gründungsberatung und koordiniert das Projekt "Existency". Er ist auch für das Verbundprojekt "Impact E³" des Bayerischen Wissenschaftszentrums zuständig. Hierbei sollen Studenten innovative Lösungsansätze für gesellschaftliche und ökologische Herausforderungen entwickeln und diese umsetzen. Auf diese Weise sollen sie an unternehmerisches Denken und Handeln herangeführt werden. Jährlicher Höhepunkt der Gründungsaktivitäten ist der "Campus der Löwen", bei dem sich die Bewerber einer fachkundigen Jury aus erfahrenen Gründern präsentieren.

Das Gründerkonzept der Hochschule Ansbach wurde im Jahr 2021 vom Stifterverband im Zuge des Programms "Entrepreneurial Skills" ausgezeichnet. Mit einem sechsstelligen Förderbetrag werden nun Aktivitäten gefördert, um den Studenten grundlegende Kompetenzen der Unternehmensführung zu vermitteln.

Autor/in: 

(tt.)

 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 02|2023, Seite 14

 
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