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Gewerbegebäude

Solarstrom ist Pflicht

Illu_WiM_2023_08-09 © Anton Atzenhofer

Auf Nichtwohngebäuden, die in Bayern neu errichtet werden, müssen jetzt Photovoltaik-Anlagen installiert werden. Was ist zu beachten?

Der Klimaschutz ist eine der zentralen Herausforderungen unserer Zeit. Auch der Freistaat Bayern möchte seinen Beitrag zum Erreichen der Klimaschutzziele leisten. Deshalb hat er in der Bayerischen Bauordnung (BayBO) den neuen Artikel 44a eingeführt, der die Überschrift „Solaranlagen“ trägt und am 1. Januar 2023 in Kraft getreten ist. Er regelt die Pflicht zum Errichten und Betreiben von Solaranlagen auf Dachflächen. Langfristig sollen alle geeigneten Dachflächen für die Nutzung „solarer Strahlungsenergie“ verwendet und somit der Anteil erneuerbarer Energien an der Stromerzeugung erhöht werden.

Die Vorschrift sieht als Beitrag zur Energiewende im Wesentlichen folgende Regelungen für Gewerbebetriebe vor:

Photovoltaik-Pflicht für Nichtwohngebäude

Die Eigentümer von „Nichtwohngebäuden“ müssen bei künftigen Bauvorhaben Anlagen zur Erzeugung von Strom aus solarer Strahlungsenergie in „angemessener Auslegung“ auf den hierfür geeigneten Dachflächen errichten und betreiben. So legt es Art. 44a Abs. 2 BayBO fest. Diese Photovoltaik-Pflicht gilt für Nichtwohngebäude, die ausschließlich für die gewerbliche oder industrielle Nutzung bestimmt sind und deren Bauanträge bzw. vollständigen Bauvorlagen ab dem 1. März 2023 bei der Behörde eingehen. Zudem betrifft die Photovoltaik-Pflicht alle sonstigen Nichtwohngebäude, deren Bauanträge bzw. vollständigen Bauvorlagen seit dem 1. Juli 2023 eingereicht werden. Darüber hinaus gilt sie auch im Falle einer vollständigen Erneuerung der Dachhaut – und damit auch bei der Erneuerung der gesamten Dachkonstruktion – eines Gebäudes, mit der ab dem 1. Januar 2025 begonnen wird.

Um eine „angemessene Auslegung“ im oben genannten Sinn zu erreichen, muss mindestens ein Drittel der geeigneten Dachfläche mit Solarmodulen abgedeckt werden (Art. 44a Abs. 2 Satz 3 i.V.m. Abs. 1 Satz 2 BayBO). Nicht geeignet und somit nicht in die Berechnung miteinzubeziehen sind insbesondere die Dachflächen, auf denen sich Fenster oder Lüftungsanlagen befinden. Nicht geeignet können im Einzelfall aber auch Dachflächen sein, die durch Nachbargebäude, Bäume, Hänge oder sonstige Anlagen derart verschattet sind, dass die Stromerzeugung durch eine Photovoltaik-Anlage nicht möglich ist. Im Zweifel muss ein technisches Gutachten eingeholt werden, um die Frage zu beantworten, welche Dachflächen geeignet sind. Die Module müssen mindestens ein Drittel der geeigneten Dachfläche belegen. Sie müssen entweder in die Dachfläche integriert oder dachparallel angebracht werden (also im gleichen Neigungswinkel wie das Dach selbst).

Was gilt als Wohngebäude?

Die Photovoltaik-Pflicht gilt nur für Nichtwohngebäude, Wohngebäude werden dagegen hiervon nicht erfasst. Um ein Wohngebäude in diesem Sinne handelt es sich, wenn mehr als die Hälfte der Nutzfläche des Gebäudes zu Wohnzwecken verwendet wird. Für Wohngebäude sieht Art. 44a Abs. 4 BayBO laut der Gesetzesbegründung nur eine „Empfehlung“ vor: Deren Eigentümer sollen ab 1. Januar 2025 bei Neubauten oder vollständiger Erneuerung der Dachhaut sicherstellen, dass Photovoltaik-Anlagen in angemessener Auslegung auf den hierfür geeigneten Dachflächen errichtet und betrieben werden. Wie streng die zuständigen Behörden mit einer solchen, in eine „Soll“-Regelung gekleideten, Empfehlung für neue Wohngebäude ab dem Jahr 2025 umgehen werden und in welchen Fällen sie nicht greift, ist derzeit noch unklar.

Ausnahmen von der Photovoltaik-Pflicht

Die Photovoltaik-Pflicht gilt grundsätzlich für sämtliche Nichtwohngebäude. Dass dies nicht in allen Fällen objektiv sinnvoll ist, hat auch der Gesetzgeber erkannt und für bestimmte Fallgruppen Ausnahmen gemacht (Art. 44a Abs. 3 BayBO). So wird beispielsweise bei kleinen Dachflächen (bis zu 50 Quadratmetern) oder nur vorübergehend aufgestellten oder benutzbaren Gebäuden davon ausgegangen, dass der mit der Ausstattung mit Photovoltaik-Anlagen nötige Aufwand in keinem angemessenen Verhältnis zu dem möglichen Ertrag bei der Stromerzeugung steht. Bei unterirdischen Bauten, Gewächshäusern, Traglufthallen und Zelten scheidet die Ausstattung mit Photovoltaik-Anlagen bereits aus praktischen bzw. technischen Gründen aus.

Ebenfalls aus sachlichen Gründen entfällt die Photovoltaik-Pflicht, soweit die Errichtung und der Betrieb der Anlagen im Einzelfall technisch nicht möglich sind oder eine unbillige Härte darstellen würden. Von einer unbilligen Härte kann insbesondere gesprochen werden, wenn die erforderlichen Aufwendungen innerhalb der üblichen Nutzungsdauer nicht erwirtschaftet werden können, wenn also die Errichtung und der Betrieb für den Eigentümer nach einer konkreten Berechnung finanziell nicht rentabel sind.

Bebauungspläne der Kommunen

Daneben entfällt die Photovoltaik-Pflicht auch, wenn ihr Bebauungspläne oder Ortsgestaltungssatzungen der Kommunen entgegenstehen. Diese können nämlich festsetzen, dass auf Gebäuden keine Photovoltaik-Anlagen errichtet werden dürfen. Diese Festsetzungen haben gemäß der Bayerischen Bauordnung Vorrang (Art. 44a Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 BayBO). Inwieweit solche Festsetzungen zumindest in den künftigen Satzungen noch eine Rolle spielen werden, ist derzeit offen. Denn nach dem ebenfalls neuen § 2 des Gesetzes für den Ausbau erneuerbarer Energien (EEG) liegen die Errichtung und der Betrieb von Anlagen zur Erzeugung erneuerbarer Energien im überragenden öffentlichen Interesse und dienen der öffentlichen Sicherheit. Bis die Stromerzeugung im Bundesgebiet nahezu treibhausneutral ist, sollen die erneuerbaren Energien demnach bei der notwendigen Abwägung der Schutzgüter als vorrangiger Belang eingebracht werden. Sämtliche Festsetzungen in Bebauungsplänen und Ortsgestaltungssatzungen müssen das Ergebnis gerechter Abwägung der privaten und öffentlichen Belange sein. Durch die Regelung des § 2 EEG wird es somit künftig für die Kommunen schwieriger werden, die Anbringung von Photovoltaik-Anlagen zu verbieten, ohne Fehler bei der Abwägung zu machen.

Die Regelungen zur Photovoltaik-Pflicht aus Art. 44a BayBO überschneiden sich in Teilen mit den Regelungen des Gebäudeenergiegesetzes (GEG). Denn § 10 Abs. 2 Nr. 3 GEG verlangt, dass der Wärme- und Energiebedarf eines Gebäudes zumindest anteilig durch die Nutzung erneuerbarer Energien gedeckt wird (nach Maßgabe der §§ 34-45 GEG). Diese Anforderung ist erfüllt, wenn durch die Nutzung solarthermischer Anlagen (§ 35 GEG) oder durch die Nutzung von Strom aus erneuerbaren Energien (§ 36 GEG) der Wärme- und Kälteenergiebedarf zu mindestens 15 Prozent gedeckt ist. Sind diese Anforderungen erfüllt, gelten aufgrund der gleichen Zielrichtung auch die Pflichten aus Art. 44a BayBO als erfüllt. Mit anderen Worten: Eine solarthermische Anlage (die Sonnenenergie in Wärme – und nicht in Strom – umwandelt) kann den Einbau einer Photovoltaik-Anlage entbehrlich machen, denn die Regelungen des GEG haben Vorrang (vgl. Art 44a Abs. 6 BayBO). 

Regelungen in anderen Bundesländern

Obwohl sich in Norddeutschland die Solarenergie weniger effizient nutzen lässt als vor allem in Bayern und Baden-Württemberg, wird auch in anderen Ländern der Bundesrepublik eine Photovoltaik-Pflicht diskutiert. Gesetzlich verankert ist sie – mit Abwandlungen zur bayerischen Regelung – z. B. auch in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz, Niedersachsen und Hamburg. In Nordrhein-Westfalen besteht keine Photovoltaik-Pflicht für Gebäude, sondern (nur) beim Neubau eines für eine Solarnutzung geeigneten offenen Parkplatzes mit mehr als 35 Stellplätzen, der einem Nichtwohngebäude dient.

Die in die Bayerische Bauordnung aufgenommene Photovoltaik-Pflicht ist im Konzept der Staatsregierung ein wichtiger Baustein der bayerischen Energiewende. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Nutzung der Windenergie in Bayern im Vergleich zu anderen deutschen Ländern (insbesondere den norddeutschen mit ihrem größeren Windaufkommen) deutlichen Nachholbedarf hat. Zudem bleibt ungewiss, wie sich diese Nutzung nach der jüngsten Aufweichung der 10-H-Abstandsregel (Art. 82-82b BayBO) entwickeln wird. Der neue Artikel 44a der Bayerischen Bauordnung kann daher einen wesentlichen Beitrag leisten, um fossile Energieträger zurückzudrängen – auch wenn derzeit noch keine scharfe Photovoltaik-Pflicht für neue Wohngebäude eingeführt wurde.

Autor/in: 

Marie Lehmeyer und Sebastian Siemer

Externer Kontakt:

Marie Lehmeyer ist Rechtsanwältin und Sebastian Siemer ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Verwaltungsrecht bei der Kanzlei Waldmann Kohler Rechtsanwälte PartGmbB in Nürnberg (www.waldmann-kohler.de)

 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 08|2023, Seite 34

 
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