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Schluss mit Greenwashing!

ILLI_Greenwashing_WiM_04-05-2024 © Anton Atzenhofer

Die Werbung mit Umweltangaben ("Green Claims") wird künftig strengeren Anforderungen unterliegen.

Viele Unternehmen wollen ihre Waren und Dienstleistungen als besonders umweltfreundlich darstellen. Sie nutzen dafür vielerlei Begriffe wie beispielsweise "CO₂-neutral", "klimaneutral", "plastikfrei & 100 % kompostierbar", "aus 100 % recyceltem PET" oder allgemein "umweltfreundlich" oder "nachhaltig". Aber aufgepasst! Solche "grünen" Aussagen unterliegen rechtlichen Anforderungen, die eingehalten werden müssen.

Zu bedenken gilt insbesondere, dass einige Verbraucherschutzverbände und die Umweltschutzorganisation Deutsche Umwelthilfe mit Verbandsklagerecht derzeit sehr aktiv sind, um solche "Green Claims" abzumahnen. Es drohen Abmahnungen mit Unterlassungsaufforderung und -erklärung, Vertragsstrafen und Zivilklagen. Unternehmen sind daher gut beraten, sich mit dem regulatorischen Umfeld ihrer "grünen" Kommunikation auseinanderzusetzen, um behördliche Bußgelder und rechtliche Angriffe zu vermeiden bzw. zumindest das Risiko zu verringern.

Aktuelle Regelungen

Bislang bestand noch kein spezifischer Rechtsrahmen. Vielmehr bestimmt sich die Zulässigkeit von "Green Claims" nach den allgemeinen Regeln des europäischen und nationalen Lauterkeitsrechts. Dies sind die Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken, die Richtlinie 2006/114/EG über irreführende und vergleichende Werbung sowie das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb. In Kürze: "Green Claims" werden – sofern zutreffend und klar ausgedrückt – als nützlich angesehen, da sie den Verbrauchern eine informierte Kaufentscheidung ermöglichen. Treffen die getätigten Umweltaussagen jedoch nicht zu bzw. sind sie irreführend oder missverständlich, liegt in der Regel ein unzulässiges sogenanntes "Greenwashing" ("Grünfärberei") vor.

Selbst sachlich richtige Umweltaussagen können also irreführend sein und zwar dann, wenn die ausgelobten Umweltvorteile bei genauerer Betrachtung überhaupt nicht so bestehen, wie sie suggeriert werden. Das kann der Fall sein, wenn ein Produkt wegen einer einzelnen Eigenschaft als umweltfreundlich beworben wird, was zwar sachlich richtig ist, das Produkt aber gleichzeitig andere Eigenschaften hat, die umweltschädlich sind und auf die nicht hingewiesen wird.

Konkretisiert wurden die Grundsätze zur korrekten Verwendung von Umweltangaben bislang nur in den "Leitlinien zur Umsetzung/Anwendung der Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken" (C/2021/9320, OJ C 526, 29.12.20) der EU-Kommission. Danach müssen Behauptungen zu den umweltfreundlichen Qualitäten von Unternehmen sowie deren Waren und Dienstleistungen wahr sein, dürfen keine falschen Informationen enthalten und sie müssen klar, spezifisch, genau und nachweisbar sein.

Generell unzulässig sind daher z. B. vage Umweltaussagen wie z. B. "umweltfreundlich", "klimaneutral" oder "nachhaltig", weil sie leicht missverstanden werden und daher zur Irreführung geeignet sind. Die deutschen Gerichte haben diesbezüglich unmissverständlich klargestellt, dass solche Werbung ein höheres Aufklärungsbedürfnis auf Seiten des Verbrauchers und eine entsprechend höhere Aufklärungspflicht auf Seiten des Unternehmers begründet. Wenn solche Schlagwörter in der Werbung verwendet werden, müssen sie näher erläutert werden, z. B. auf dem Werbeträger selbst (Plakat, Produktverpackung) oder durch Verweis auf eine Internet-Seite mit weiterführenden Klarstellungen.

Ob tatsächlich eine verbotene, irreführende umweltbezogene Werbung vorliegt, ist stets eine Einzelfallentscheidung, es sei denn es handelt sich um eine der Geschäftspraktiken der sogenannten "Schwarzen Liste", die absolut untersagt sind (z. B. unbefugte Verwendung von Gütezeichen oder Qualitätskennzeichen). Ansonsten muss stets konkret ermittelt werden, welche Bedeutung eine bestimmte Werbeaussage nach dem Verständnis der angesprochenen Verkehrskreise bzw. eines durchschnittlichen Verbrauchers hat und ob sie von der Realität abweicht. Hierbei können auch technische Normen herangezogen werden, etwa die DIN EN ISO 14021:2016-07. In der deutschen Rechtsprechung wurde zudem eine umfangreiche Betrachtung von Einzelfällen entwickelt, um die Zulässigkeit einzelner umweltbezogener Aussagen zu beurteilen (z. B. "klimaneutral", "CO₂-neutral").

Spezialgesetzliche Regeln für "Green Claims"

Diese allgemeinen Regeln werden seit Kurzem durch spezialgesetzliche Anforderungen ergänzt: Am 6. März 2024 wurde die neue Richtlinie (EU) 2024/825 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Februar 2024 zur Änderung der Richtlinien 2005/29/EG und 2011/83/EU hinsichtlich der Stärkung der Verbraucher für den ökologischen Wandel durch besseren Schutz gegen unlautere Praktiken und durch bessere Informationen veröffentlicht, die auch neue Regelungen zu "Green Claims" enthält.

Danach sind insbesondere Umweltaussagen über die künftige Umweltleistung nur noch dann zulässig, wenn sie auf klaren, objektiven, öffentlich einsehbaren und überprüfbaren Verpflichtungen basieren, die in einem detaillierten und realistischen Umsetzungsplan festgelegt sind, der noch dazu regelmäßig von einem unabhängigen externen Sachverständigen überprüft wird. Insbesondere Aussagen, die sich auf die künftige Leistung in der Form eines Übergangs zu CO₂- oder Klimaneutralität oder eines ähnlichen Ziels bis zu einem bestimmten Datum, beziehen, sind damit, nach Umsetzung der Neuregelungen in die nationalen Gesetze, nur noch unter strengen Anforderungen zulässig.

Die Richtlinie (EU) 2024/825 erweitert zudem die "Schwarze Liste" von absolut unzulässigen Claims: Verboten ist künftig die Verwendung von Nachhaltigkeitssiegeln, die nicht auf einem Zertifizierungssystem beruhen oder nicht von staatlichen Stellen festgesetzt wurden. Das bedeutet: Sämtliche gerade derzeit viel verwendeten selbstzertifizierten Umweltzeichen sind künftig unzulässig. Vielmehr wird nunmehr gewährleistet, dass die Bedingungen des Zertifizierungssystems für Vertrauenssiegel, Gütezeichen oder Ähnliches, die ein Produkt, ein Verfahren oder eine Geschäftstätigkeit in Bezug auf ihre ökologischen oder sozialen Merkmale bewerben, öffentlich zugänglich sind.

Die Beurteilung, ob eine Werbeaussage zur Irreführung geeignet ist oder nicht, kann in der Praxis schwierig sein, weshalb die derzeitigen allgemeinen Regelungen zu unlauteren Geschäftspraktiken gerade auch für "Green Claims" mit Rechtsunsicherheit für die Unternehmen verbunden sind. Dies hat auch der europäische Gesetzgeber erkannt und 2023 ein weiteres Gesetzgebungsverfahren zum Erlass von spezialgesetzlichen Regeln für umweltbezogene Werbung auf den Weg gebracht (Vorschlag zum Erlass der "Richtlinie über die Begründung ausdrücklicher Umweltaussagen und die diesbezügliche Kommunikation ("Green Claims-Richtlinie") vom 22. März 2023 (COM(2023) 166 final)". Ziel ist es, EU-weit Rechtsklarheit und -sicherheit zu schaffen.

Geplant ist insbesondere, dass alle Umweltaussagen und Umweltzeichen künftig vorab durch eine unabhängige und akkreditierte Überprüfungsstelle geprüft werden und damit einem Verbot mit Erlaubnisvorbehalt unterliegen sollen. Um sicherzustellen, dass umweltbezogene Auslobungen wissenschaftlich belegt sind, sollen zudem die Verwender verpflichtet werden, diese anhand eines Kriterienkatalogs vorab zu überprüfen und zu belegen. Zudem sollen für vergleichende Umweltaussagen, die besonders "irreführungsanfällig" sind, zusätzliche Anforderungen mit Blick auf die Belastbarkeit und Aussagekraft der Vergleichsdaten eingeführt werden.

Auch die bereits in der Rechtsprechung festgelegte Pflicht der Werbenden, die Verwendung von umweltbezogenen Angaben gegenüber den Verbrauchern aufzuklären, soll einen gesetzlichen Rahmen erhalten: Geplant ist, dass Erläuterungen zu Umweltaussagen bestimmte Mindestangaben enthalten sollen. So sollen die zugrunde liegenden Studien oder Berechnungen, die zur Bewertung, Messung und Überwachung der Umweltauswirkungen, Umweltaspekte oder der Umweltleistung verwendet werden, offengelegt werden. Klimabezogene Umweltaussagen müssen zudem mit Erläuterungen darüber begleitet werden, in welchem Umfang sich die Aussagen auf Kompensationen stützen und ob diese auf eigene Emissionsminderungen oder (nur) auf die Speicherung von Treibhausgasen zurückzuführen sind. Auch hier greift der EU-Gesetzgeber die bereits von den deutschen Gerichten entwickelte Rechtsprechung auf.

Laut der Richtlinienentwürfe sollen die geplanten Neuregelungen zu "Green Claims" für alle Unternehmen gelten, die innerhalb der EU Umweltaussagen gegenüber Verbrauchern machen – unabhängig davon, ob diese Unternehmen ihren Sitz innerhalb der EU oder in Drittländern haben. Nur Kleinstunternehmen (weniger als zehn Beschäftigte und Jahresumsatz von höchstens zwei Mio. Euro) sollen von bestimmten Verpflichtungen grundsätzlich ausgenommen werden.

Wie können sich Unternehmen vorbereiten?

Das Novellierungsvorhaben zur "Green Claims"-Richtlinie befindet sich im europäischen Gesetzgebungsprozess. Am 12. März hat das EU-Parlament seinen diesbezüglichen Standpunkt in erster Lesung angenommen und dem Richtlinienentwurf mehrheitlich zugestimmt. Die anschließenden Trilog-Verhandlungen von Europäischer Kommission, Europäischem Parlament und EU-Ministerrat werden voraussichtlich nach der Europawahl im Juni 2024 stattfinden. Derzeit ist nicht absehbar, zu welchem Zeitpunkt die Neuregelungen in Kraft treten werden und welche inhaltlichen Änderungen es im Vergleich zum Kommissionsvorschlag noch geben wird. Hinzu kommt, dass nach der Verabschiedung auf europäischer Ebene die Mitgliedsstaaten die Richtlinien in nationales Gesetz umsetzen müssen. Erst danach werden die verschärften Regeln zu "Green Claims" und die diesbezüglichen (geänderten) Sanktionen bei Verstößen für in Deutschland werbende Unternehmen in Kraft treten.

Bereits jetzt ist jedoch klar, dass Unternehmen, die freiwillig Umweltaussagen machen, künftig verschärfte Mindestanforderungen an deren Begründung, Kommunikation und Überprüfung erfüllen müssen. Es ist daher ratsam, bereits jetzt die richtigen Weichen zu stellen, um auch künftig die Compliance von "Green Claims" sicherzustellen. Unternehmen sollten beispielsweise schon beginnen, die umweltbezogenen Behauptungen mit wissenschaftlichen Beweisen und unabhängiger Überprüfung zu belegen. Auf pauschale Angaben ohne weitere Erläuterung sollte angesichts der diesbezüglichen jüngsten Rechtsprechung ab sofort verzichtet werden. Bei Verwendung von Nachhaltigkeitssiegeln muss angesichts des Erlasses der Richtlinie (EU) 2024/825 geprüft werden, ob diese auch künftig den neuen Anforderungen standhalten können.

Autor/in: 

Rechtsanwältin Dr. Barbara Klaus ist Partnerin bei Rödl & Partner in Nürnberg und Mailand. Sie ist Expertin für europäisches und internationales Recht mit Schwerpunkt Lebensmittel- und Pharmarecht. Auf der Rödl-Homepage ist auch eine Artikelserie zu „Green Claims“ abrufbar (www.roedl.de/themen/green-claims-greenwashing/).

 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 04|2024, Seite 52

 
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