Zum Hauptinhalt springen

Seit drei Jahren führt Russland seinen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Doch trotz der großen Zerstörungen und der unablässigen russischen Bombardements zeigt sich die dortige Wirtschaft widerstandsfähig. Nach einem starken Einbruch im ersten Kriegsjahr 2022 steigt die Wirtschaftsleistung seit dem Frühjahr 2023 überraschenderweise wieder kontinuierlich. Sehr erfolgreich baut die Ukraine ihre eigene Rüstungsindustrie aus. Auch Bauindustrie, verarbeitendes Gewerbe und Transportsektor tragen zum Wachstum bei, das im vergangenen Jahr bei über vier Prozent lag. Für dieses und kommendes Jahr werden ähnliche Zuwächse erwartet, allerdings von einem im EU-Vergleich niedrigen Niveau aus.

Bayerische Auslandsrepräsentanz in Kyjiw

Seit dem Jahr 2018 ist der Freistaat Bayern mit einem Auslandsrepräsentanz in der Ukraine vertreten, das im Gebäude der Deutsch-Ukrainischen Auslandshandelskammer (AHK Ukraine) in Kyjiw angesiedelt ist. Seitdem hätten sich die Verbindungen der bayerischen Wirtschaft mit der Ukraine deutlich verstärkt, sagte Andreas Reuchlein vom Bayerischen Wirtschaftsministerium beim zweiteiligen IHK-Webinar „Markchancen in der Ukraine“. Die Situation sei weiterhin schwierig, aber man versuche, Projekte voranzutreiben. Eine Delegationsreise in die Ukraine sei in diesem Jahr von bayerischer Seite nicht geplant. Doch bei einer Delegationsreise im Oktober dieses Jahres in die Ostslowakei werde versucht, Unternehmen aus der Ukraine hinzuzuholen (www.stmwi.bayern.de)

Die AHK Ukraine gibt es seit 2016 (zuvor war sie seit 1993 als Delegation der Deutschen Wirtschaft tätig gewesen) und sie wächst trotz des Krieges. Unternehmen wie BMW, Rehau, Kärcher, Knauf, Bosch, Siemens, Leoni, Deutsche Bank und zahlreiche andere gehören zu den Mitgliedern, so Adrian Schairer, der der AHK-Geschäftsführung angehört. Schairer ließ die zahlreichen, kriegsbedingten Probleme der Ukraine nicht unerwähnt: So die riesigen Zerstörungen und die Kosten für den Wiederaufbau, die auf über 450 Mrd. Euro geschätzt werden. Auch in demografischer Hinsicht hat der Krieg große Folgen, denn durch Flucht und Vertreibung hat die Ukraine nun acht Mio. Einwohner weniger. Die Inflation ist zwar rückläufig, liegt aber weiter über fünf Prozent. Die Arbeitslosenquote geht ebenfalls zurück, ist aber mit 14 Prozent noch hoch. Der bilaterale Handel mit Deutschland belief sich im Jahr 2023 auf etwa zehn Milliarden Euro. Wichtigste deutsche Exportgüter sind Maschinen, chemische Erzeugnisse sowie Fahrzeuge und Fahrzeugteile. Die Ukraine exportierte vor allem Agrargüter nach Deutschland.

Investitionen trotz des Krieges

Trotz des Krieges gibt es große Investitionsprojekte in der Ukraine, beispielsweise der Bau einer Glasfabrik bei Kyjiw. Auch der deutsche Baustoffhersteller Knauf erweitert seine Kapazitäten: In Borschtschiw im Westen des Landes errichtet das unterfränkische Unternehmen ein Werk für Gipskartonplatten und Trockenbaumischungen. Die Situation an der Front habe sich gegenüber Herbst 2024 stabilisiert, berichtete Schairer. Von Luftangriffen seien vor allem die Zentral- und Ostukraine betroffen, in der Westukraine sei dagegen ein fast normales Leben möglich. „Installieren Sie die offizielle Luftalarm-App von Ajax Systems“, so sein Rat. Reisen in die Ukraine seien über den Landweg möglich – bei Wartezeiten an den Grenzübergängen zwischen 15 Minuten und 15 Stunden. Für Europäer gibt es keine Visumspflicht für Aufenthalte unter 90 Tagen, aber eine Krankenversicherungspflicht. Zu beachten seien auch die Sperrstunden, die in den meisten Gebieten von 0 bis 5 Uhr dauern.

Die wirtschaftlichen Chancen umschreibt Schairer – einen stabilen Frieden vorausgesetzt – folgendermaßen: „das zukünftige Indien für IT-Entwicklung, das zukünftige China für die industrielle Fertigung und das zukünftige Russland für die Energieversorgung.“ Günstige Kosten in der Fertigung und niedrige Lohnstückkosten machten die Ukraine zu einem lukrativen Produktionsstandort. Im Land gebe es etwa 100 Industrieparks mit Vergünstigungen im Steuer- und Zollbereich sowie der Möglichkeit einer Kriegsrisikoversicherung. Zusätzlich gebe der ukrainische Staat Steuer- und Zollvergünstigungen für Investitionen von mehr als 20 Mio. Euro. Ein innovatives Projekt sei die staatliche App „Diia.City“
(city.diia.gov.ua/en) – die weltweit erste virtuelle „Sonderwirtschaftszone“, über die Tech-Unternehmen alle Behördengänge online erledigen können.

Die Gründung einer GmbH (ukrainisch TOV) ist in der Regel unkompliziert in wenigen Tagen möglich und erfordert kein Mindestkapital. Für die Gründungsphase wird allerdings ein ukrainischer Direktor benötigt, eine Gründung aus Deutschland ist per Vollmacht möglich. „Die staatlichen Prozesse funktionieren sehr gut“, betonte Schairer, der auch auf Erfolge bei der Korruptionsbekämpfung hinwies.

An öffentlichen Ausschreibungen können deutsche Unternehmen über die Plattform „ProZorro“
(prozorro.gov.ua/en) teilnehmen, erläuterte Igor Dykunskyy, Managing Partner der Kanzlei DLF-Rechtanwälte in Kyjiw. Die Angebote müssten in der Regel in ukrainischer Sprache eingereicht und in ukrainischer Währung abgegeben werden. Die meisten Informationen auf der Plattform „ProZorro“ seien ebenfalls auf Ukrainisch. Es gebe insgesamt 13 zugelassene Ausschreibungsplattformen, die untereinander im Wettbewerb stehen.

Olga Ianushevych von DLF-Rechtsanwälte empfahl, sich frühzeitig über die passende Rechtsform sowie die Steuersätze für Unternehmen und die staatlichen Steueranreize zu informieren. Sie nannte auch diese wichtigen Schritte bei der Vorbereitung: Überprüfung der ukrainischen Vertragspartner sowie der Sanktionsrisiken, des Eigentumsübergangs und der devisenrechtlichen Einschränkungen.

(as.)

Infos und Förderung für das Ukraine-Geschäft

Die IHK Nürnberg für Mittelfranken informierte im zweiten Teil ihrer Webinar-Reihe zum Wirtschaftspartner Ukraine über die zahlreichen staatlichen Förderungen. Ein Ausschnitt der Informationsangebote und Förderprogramme, die deutsche Unternehmen beim Engagement in der Ukraine in Anspruch nehmen können:

  • Deutsch-Ukrainische Auslandshandelskammer (AHK Ukraine) in Kyjiw: zentrale Anlaufstelle rund um Geschäftsverbindungen, Marktzugang und Investitionen in der Ukraine (ukraine.ahk.de)
  • „Plattform Wiederaufbau Ukraine“ der Bundesregierung: Netzwerk und Informationen zu Kooperations- und Aufbauprojekten (www.ukraine-wiederaufbauen.de)
  • Germany Trade & Invest (GTAI): Info-Portal mit Informationen zu Marktzugang, Investitionsbedingungen, Zoll sowie Recht und Steuern (www.gtai.de/ukraine)
  • „Info-Desk Ukraine“ der Agentur für Wirtschaft und Entwicklung (AWE): umfassendes Portal der AWE, die von Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ), GIZ und DEG getragen wird (wirtschaft-entwicklung.de)
  • Ukraine-Fazilität der EU (Ukraine Investment Framework): Fördervolumen ca. 9.3 Mrd. Euro für Projekte von Unternehmen in Energie, Logistik, Rohstoffe, IT, Nachhaltigkeit usw. (commission.europa.eu, Suchbegriff „Ukraine Investment Framework“)
  • Exportkreditgarantien des Bundes: besonders vorteilhafte Bedingungen für die Absicherung von Engagements in der Ukraine (Absicherung auch von Kriegsfolgen), Instrumente für die Absicherung von politischen und wirtschaftlichen Risiken wie z. B. Embargos, Lieferstopps, Insolvenz von Geschäftspartnern usw. (www.exportkreditgarantien.de)
  • Investitionsgarantien des Bundes: Erstmals in der Geschichte des Programms werden sie für ein Land im Krieg gewährt. Außerdem gibt es besonders vorteilhafte Förderkonditionen für Investitionen in der Ukraine (www.pwc.de, Suchbegriff „Investitionsgarantien“)
  • Förderprogramm „develoPPP“: Förderprogramm für Aktivitäten in Entwicklungs- und Schwellenländern des BMZ (www.developpp.de, Anträge sind im Rahmen eines Ideenwettbewerbs einzureichen)
  • Förderprogramm „ImpactConnect“: ebenfalls ein Programm des BMZ mit Schwerpunkt auf entwicklungspolitische Projekte, das auch Projekte in der Ukraine fördert (www.deginvest.de, Suchbegriff „ImpactConnect“)
  • „Green for Growth Fund“ der European Investment Bank: Förderung von Projekten in den Bereichen Energieeffizienz und erneuerbare Energien (www.ggf.lu)

Webcode: N1528