Den Turbo einschalten
Baugesetzbuch: Schneller genehmigen, schneller bauen: Das plant die neue Bundesregierung rund um Bauen und Wohnen.


Das Baugesetzbuch soll in zwei Schritten novelliert werden, um beim Thema „Bauen und Wohnen“ schnell voranzukommen. Das haben CDU, CSU und SPD in ihrem Koalitionsvertrag vom 9. April 2025 vereinbart. In einem ersten Schritt sollen binnen 100 Tagen ein Gesetzentwurf zur Einführung eines „Wohnungsbau-Turbos“ sowie Erleichterungen von Lärmschutz-Festsetzungen in Bebauungsplänen vorgelegt werden. In einem zweiten Schritt soll eine grundlegende Reform zur Beschleunigung des Bauens erfolgen – jedoch ohne dass dies näher erläutert wird.
Der erste Schritt wurde bereits am 18. Juni 2025 mit dem Regierungsentwurf eines „Gesetzes zur Beschleunigung des Wohnungsbaus und zur Wohnraumsicherung“ eingeleitet – also 70 Tage nach Vorstellung des Koalitionsvertrags. Das Gesetzgebungsverfahren im Deutschen Bundestag könnte im Herbst dieses Jahres abgeschlossen werden und das Gesetz sodann in Kraft treten. Es ist zu erwarten, dass der Bundestag keine wesentlichen Änderungen am Gesetzentwurf vornehmen wird. Der jetzige Regierungsentwurf basiert auf einem Gesetzentwurf, den das damalige Bundeskabinett am 4. September 2024 beschlossen hatte, der jedoch auf Grund des Zerfallens der Ampel-Regierung vom alten Bundestag nicht mehr verabschiedet wurde.
Kernstück des damaligen wie auch des jetzigen Gesetzentwurfs: In das Baugesetzbuch soll ein neuer § 246e eingefügt werden. Dieser sieht vor, den Wohnungsbau gesetzlich weitgehend zu flexibilisieren und zu liberalisieren. So soll es zulässig sein, von den Vorschriften des Baugesetzbuchs (aber etwa auch von der Baunutzungsverordnung und von Bebauungsplänen) „im erforderlichen Umfang“ abzuweichen. Die Bundesregierung denkt hier insbesondere daran, zeitaufwändige und kostenintensive Verfahren zur Aufstellung oder Änderung von Bebauungsplänen entfallen zu lassen. Zugleich sollen die Behörden deutlich mehr Möglichkeiten haben, die Bauherren zugunsten des Wohnungsbaus von den Festsetzungen eines bestehenden Bebauungsplans zu befreien (Neufassung § 31 Abs. 3 BauGB). Auch dort, wo innerhalb bebauter Ortsteile kein Bebauungsplan existiert (sogenannter unbeplanter Innenbereich), soll es Erleichterungen geben: Wohngebäude müssen sich unter bestimmten Bedingungen nicht mehr in die nähere Umgebung einfügen (§ 34 Abs. 3b BauGB).
Eine Einschränkung gibt es allerdings in allen drei Fällen (§ 246e, § 31 Abs. 3 und § 34 Abs. 3b BauGB): Die Verfahrenserleichterung greift nur, wenn das Vorhaben auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist. Letzteres ist insbesondere dann nicht der Fall, wenn voraussichtlich zusätzliche erhebliche Umweltauswirkungen entstehen. Die Experimentiervorschrift § 246e BauGB ermöglicht es zudem nicht, ohne Bebauungsplan mitten auf die „grüne Wiese“ zu bauen, denn es wird ein räumlicher Zusammenhang zu bestehenden Siedlungsgebieten gefordert. Die Geltung dieser Vorschrift soll bis 31. Dezember 2030 befristet werden, was aber eine Verlängerung nicht ausschließt.
Um die grundgesetzlich gewährleistete Planungshoheit der Kommunen sicherzustellen, ist in allen drei Fällen die Zustimmung der Gemeinde zum beabsichtigten Wohnungsbauvorhaben erforderlich. Nur dann können die staatlichen Landratsämter als Baugenehmigungsbehörden von den neuen Beschleunigungsinstrumenten Gebrauch machen.
Was bringen die Regierungspläne?
In der Vergangenheit ging es oftmals nur in Trippelschritten voran, wenn die Gesetzgebung sich in Richtung schnelleres und günstigeres Bauen von Wohngebäuden bewegen sollte. Das ist bei den jetzt vorgesehenen Erleichterungen anders: Sie ermöglichen es, in umfangreichem Maße von den bauplanungsrechtlichen Vorgaben abzuweichen, die bisher strikt beachtet werden mussten und die zudem vom Bundesverwaltungsgericht teils recht streng ausgelegt wurden (z. B. bei der Rechtsprechung zum bisherigen § 31 Abs. 3 BauGB). Nun ist jedoch auch im Wohnungsbau möglich, was schon vor zehn Jahren für das Errichten von Asylbewerberunterkünften eingeführt wurde. Bei Bauwirtschaft, Bauherren und auch Behörden werden die Vereinfachungen vielfach auf Zustimmung stoßen. Auch der Deutsche Mieterbund befürwortet sie. Ob Nachbarn vermehrt gegen Baugenehmigungen klagen, die mithilfe des neuen Rechts erteilt werden, ist allerdings offen.
Es liegt nun vor allem an den Gemeinden, die Flexibilisierungen auch in der Praxis mit Leben zu füllen – und zwar durch ihr Zustimmungsverhalten im Baugenehmigungsverfahren. Die Gemeinden erteilen ihre Zustimmung, wenn das Vorhaben mit ihren Vorstellungen von der städtebaulichen Entwicklung und Ordnung vereinbar ist. Verweigern sie binnen zwei Monaten nach Eingang des Ersuchens der Genehmigungsbehörde die Zustimmung nicht, gilt sie als erteilt (neuer § 36a BauGB).
Bundesbauministerin Verena Hubertz hat angekündigt, dass es nur noch zwei Monate dauern soll, bis die bauplanungsrechtlichen Voraussetzungen für ein Vorhaben geschaffen sind (statt bisher fünf Jahre). Ob dies gelingt, scheint aber jedenfalls bei komplexeren Vorhaben zweifelhaft. Dennoch sind die genannten Neuerungen ein erster (bauplanungsrechtlicher) Schritt, den Wohnungsbau anzukurbeln. Das Gegenteil erwarten Vertreter der Immobilienwirtschaft aber von der Verlängerung der Mietpreisbremse, die am 26. Juni im Bundestag verabschiedet wurde. Weitere Schritte, insbesondere die Senkung bautechnischer Standards (Einhaltung von DIN-Vorgaben), sollten folgen, um die Baukosten zusätzlich zu senken.
Um Vorhaben zu beschleunigen und Kosten zu senken, ist auch sehr zu begrüßen, dass laut Koalitionsvertrag das Klagerecht von Umweltverbänden gegen Bau- und Infrastrukturvorhaben reformiert, gestrafft und auf die tatsächliche Betroffenheit ausgerichtet werden soll. Die Koalition will es bis auf das europarechtliche Mindestmaß absenken. Außerdem will sich die Bundesregierung auf internationaler Ebene für eine weitere Reduzierung einsetzen.
Autoren: Sebastian Siemer ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Verwaltungsrecht und Marie Lehmeyer ist Rechtsanwältin bei der Kanzlei Waldmann Kohler Rechtsanwälte PartGmbB in Nürnberg (www.waldmann-kohler.de).
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