Autozulieferer in der Metropolregion Nürnberg öffnen sich für neue Branchen
Nürnberg – Wie kommen die Automobilzulieferer in der Europäischen Metropolregion Nürnberg in der Transformation voran? Das hat das Wirtschaftsforschungsinstitut IW Consult im Auftrag der IHK Nürnberg für Mittelfranken nun erneut für das Zulieferer-Netzwerk transform_EMN untersucht. Nach der ersten Studie im Jahr 2023 zeigt die zweite Transformations-Reifegradmessung ein heterogenes Bild auf: Immer mehr kleine und mittlere Unternehmen in der Region packen die Herausforderungen des Strukturwandels aktiv an, dennoch besteht weiterhin großer Unterstützungsbedarf. Die Studie zeigt auch: Die Orientierung in neue Geschäftsfelder abseits der Autoindustrie ist für immer mehr Zu-lieferer ein erstrebenswerter Ausweg aus der Krise.
Die zweite Erhebungswelle des Wirtschaftsforschungsinstitut IW Consult zur Messung des Transformationsreifegrads der Zulieferer aus dem Frühjahr und Sommer 2025 zeigt ein differenziertes Transformationsgeschehen in der Metropolregion Nürnberg – und weiterhin großen Handlungsbedarf. Viele der kleinen und mittleren Unternehmen haben sich auf den Transfor-mationsweg begeben. Allerdings steht der überwiegende Teil erst am Anfang und braucht auch in den kommenden Jahren weiter Wegweisung und Unterstützungsangebote.
Mit rund 100.000 Beschäftigten und 500 großen, mittleren und kleinen Zulieferern gehört die Metropolregion Nürnberg zu den Regionen in Deutschland, die am meisten vom automobilen Wandel betroffen sind. 4,4% der Beschäftigten sind hier laut der Studie in der produktionsnahen Automobilwirtschaft tätig. Die Bundesagentur für Arbeit geht sogar davon aus, dass rund 7% der Beschäftigten in der Region direkt in der Autozulieferbranche arbeiten (Stand: 30.06.2025).
Innerhalb der Metropolregion sind einzelne Regionen besonders automobilgeprägt und dem-zufolge stark von der Transformation der Branche betroffen: IW Consult zeigt auf, dass in den Städten Bamberg (13,3%) und Coburg (11,3%) sowie in den Landkreisen Bamberg (11%) Coburg (5,8%), Erlangen-Höchstadt (16,4%) und Amberg-Sulzbach (5,1%) traditionell überdurchschnittlich viele Beschäftigte in der produktionsnahen Automobilwirtschaft tätig sind. Zum Vergleich: Im bayerischen Schnitt arbeiten 4,9%, im deutschlandweiten Schnitt 3,4% der Beschäftigten in diesem Bereich.
Zulieferer unternehmen erste Schritte in der Transformation
Der Transformationsreifegrad misst den Fortschritt von Unternehmen in der automobilen Transformation. Die Studie zeigt, dass fast alle anonym befragten Unternehmen bereits erste Transformationsschritte und Aktivitäten in automobilen Zukunftsfeldern sowie erste Schritte im Kompetenzaufbau, in Innovation und Digitalisierung unternommen haben. An der Befragung 2025 nahmen 95 Unternehmen aus der Region teil, davon mit 79% deutlich mehr kleine und mittlere Unternehmen (KMU). 46 Prozent der teilnehmenden Betriebe beschäftigen bis zu 50 Mitarbeitende (2023: 28%).
Je nach Fortschritt in der Transformation teilt die Studie die teilnehmenden Unternehmen in vier Gruppen ein: „Avantgarde“, „Vorreiter, „Fortgeschrittene“ und „Anfänger“. Gemessen wer-den konnte in erster Linie der sogenannte kulturell-technologische Reifegrad. Er berücksichtigt die Kompetenzen der Unternehmen, ihre Mentalität in Bezug auf die automobile Transforma-tion sowie den Stand und die Entwicklung der Digitalisierung und ihrer Innovationsaktivitäten.
„Avantgarde“: 5% der Unternehmen in der Metropolregion Nürnberg zeichnen sich durch einen hohen Digitalisierungs- und Innovationsgrad sowie durch fortgeschrittene Kompeten-zen in zukunftsrelevanten Bereichen aus.
„Vorreiter“: 53% der Unternehmen richten sich zukunftsorientiert in den Bereichen Digitali-sierung, Innovation und Kompetenzen aus.
„Fortgeschrittene“: 41% haben erste strukturellen Maßnahmen ergriffen. Sie beginnen bzw. planen erste Aktivitäten, um bspw. bei der Digitalisierung voranzukommen.
„Anfänger“: Knapp 2% der Unternehmen weisen noch deutliche Rückstände bei Kompeten-zen, Mentalität sowie bei Digitalisierung und Innovation auf.
Der kulturell-technologische Reifegrad kann als „Weichensteller“ für die Transformation im Unternehmen gelten. Beispielsweise ist der Aufbau von neuen zukunftsrelevanten Kompetenzen häufig notwendig, um neue automobile Märkte zu erschließen. Die Ergebnisse ver-deutlichen, dass mehr als die Hälfte der Unternehmen bereits aktiv an der kulturell-technolo-gischen Transformation arbeitet.
„Die deutlich höhere Beteiligung kleiner und mittlerer Unternehmen an der Studie zeigt, dass wir mit unserem Netzwerk transform_EMN auch die KMU, die besondere Unterstützung benötigen, sehr gut erreichen. Außerdem ist das Reifegrad-Ergebnis angesichts des höheren KMU-Anteils als positiv zu bewerten, da sie im Transformationsprozess oft größere Heraus-forderungen bewältigen müssen als die großen Player“, ergänzt Prof. Dr. Klaus L. Wübbenhorst, Wirtschaftsvorsitzender der Metropolregion Nürnberg.
Tatsächlich geht aus dem Studienergebnis hervor, dass regionalen Netzwerken wie trans-form_EMN eine entscheidende Rolle als Begleiter in der Veränderung zukommt. Demnach haben die Unternehmen die Zusammenarbeit mit regionalen Netzwerken intensiviert. 41% bezeichnen sie als (sehr) erfolgreich – ein Anstieg um knapp 5% seit der letzten Befragung im Jahr 2023.
Viele Unternehmen planen die Erschließung neuer Geschäftsfelder
Deutliche Unterschiede sind in den verschiedenen Feldern der Transformation zu beobachten. Während die Elektrifizierung des Antriebsstrangs – weg vom traditionellen Verbrennungsmotor – langsamer voranschreitet als noch 2023, haben die Unternehmen in der Region ihr Augenmerk besonders auf die Orientierung in neue Geschäftsfelder und die digitale Transformation gerichtet. Es zeichnet sich ab, dass immer mehr Autozulieferer aktiv den Weg der Diversifikation gehen (s.u. regionale Beispiel-Unternehmen): 92% der Unternehmen in der Metropolregion wollen neue Geschäftsfelder mit neuen Produkten erschließen – auch abseits des Automotive-Markts. „Wir sehen also, dass die Transformation für viele Unternehmen eben nicht nur die Umorientierung in Richtung E-Mobilität bedeutet, sondern bewusst auch in andere Märkte“, so Dr. Ronald Künneth, Automotive-Experte der IHK Nürnberg für Mittelfranken und Koordinator der Studie.
In den vergangenen Jahren haben die Herausforderungen für die Autozulieferer zugenommen. Als größte Risiken werden nun die Energieversorgung und -preise (26 Prozent), die Standortverlagerung von Kunden (26 Prozent), das wirtschaftliche Umfeld (21 Prozent) und die wirt-schaftliche Entwicklung der Kunden (18 Prozent) genannt.
„In diesen schwierigen Zeiten sind innovative Ansätze und Weitblick der Autozuliefer-Unternehmen unverzichtbar, um langfristig attraktive Arbeitsplätze in der Region zu sichern. Dazu gehört auch das Erschließen neuer Geschäftsfelder und die entsprechende Weiterbildung der Beschäftigten. Arbeitgeber, Beschäftigte, Wissenschaft, Politik, Kammern und Gewerkschaf-ten müssen dabei an einem Strang ziehen“, so Stephan Doll, Fachlicher Sprecher des Forums Wirtschaft und Infrastruktur der Metropolregion Nürnberg und Geschäftsführer des DGB Mittelfranken.
Insgesamt stellt die Studie fest, dass sich die Autozulieferer in der Metropolregion Nürnberg weiterhin mitten in der Transformation befinden – viele noch an deren Anfang. Zwar stagniert die Transformation hin zum elektrischen Antriebsstrang, dafür geht die Erschließung neuer Geschäftsfelder gut voran und die Investition in Digitalisierung ist auf einem hohen Niveau.
Download der Studie: https://www.transform-emn.de/aktuelles/autozulieferer-in-der-met-ropolregion-nuernberg-oeffnen-sich-fuer-neue-branchen/
Über das Projekt transform_EMN
Weitere Informationen zum Projekt transform_EMN, das die Autozulieferer in der Metropolre-gion Nürnberg in der Transformation unterstützt, finden Sie unter www.transform-emn.de. Verantwortet wird das vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWE) geförderte regionale Netzwerk transform_EMN von der Europäischen Metropolregion Nürnberg und der Wirtschaftsförderung Nürnberg in Zusammenarbeit mit der IHK Nürnberg für Mittelfranken, dem Lehrstuhl für Fertigungsautomatisierung und Produktionssystematik der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, dem Fraunhofer-Institut für Integrierte Systeme und Bauelementetechnologie IISB und der gewerkschaftsnahen IMU-Institut GmbH.

Über die Metropolregion Nürnberg
Metropolregion Nürnberg, das sind 23 Landkreise und 11 kreisfreie Städte – vom thüringi-schen Landkreis Sonneberg im Norden bis zum Landkreis Weißenburg-Gunzenhausen im Süden, vom Landkreis Kitzingen im Westen bis zum Landkreis Tirschenreuth im Osten. 3,6 Millionen Einwohner erwirtschaften ein Bruttoinlandsprodukt von 167 Milliarden Euro jährlich. Die Region ist aufgrund ihrer weit überdurchschnittlichen Innovationskraft EU Regional Inno-vation Valley. Eine große Stärke der Metropolregion Nürnberg ist ihre polyzentrale Struktur: Rund um die dicht besiedelte Städteachse Nürnberg-Fürth-Erlangen-Schwabach spannt sich ein enges Netz weiterer Zentren und starker Landkreise. Die Region bietet deshalb alle Mög-lichkeiten einer Metropole – jedoch ohne die negativen Effekte einer Megacity. Bezahlbarer Wohnraum, funktionierende Verkehrsinfrastruktur und eine niedrige Kriminalitätsrate macht die Metropolregion Nürnberg für Fachkräfte und deren Familien äußerst attraktiv.
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Dr. rer. nat. Ronald Künneth
Vernetzte Produktion, Automotive | eMobilität, Energiewirtschaft, Umweltberatung, Technologietransfer
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