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Verschnürtes Regelwerk

24.11.2025

Die europäische Verordnung über Verpackungen und Verpackungsabfälle bringt stufenweise eine Reihe von neuen Anforderungen mit sich. Betroffen sind Unternehmen, die Verpackungen und verpackte Produkte herstellen und in den Verkehr bringen. Im Gegensatz zur bestehenden Gesetzgebung (Verpackungsgesetz) erweitert sich der Kreis der Verantwortlichen. Auch Importeure sollten sich über die neuen Vorgaben informieren und rechtzeitig vorbereiten. Außerdem nehmen die Anforderungen an Kennzeichnung, Konformität und Materialität zu.

Bei der neuen EU-Verordnung Verpackungen und Verpackungsabfälle (PPWR – Packaging and Packaging Waste Regulation; 2025/40) liegt der Teufel im Detail, wie ein Fachforum der IHK Nürnberg für Mittelfranken zeigte. Die Vorschriften zielen darauf ab, die Verpackungs- und Abfallmengen zu minimieren. Gleichzeitig soll die Verwendung von Primärrohstoffen verringert und eine kreislauforientierte und zugleich wettbewerbsfähige Wirtschaft gefördert werden. Deshalb werden verbindliche Anforderungen an Rezyklate, Wiederverwendbarkeit, Kompostierbarkeit und die Kennzeichnung von Verpackungen schrittweise eingeführt. Formell trat die PPWR bereits in Kraft, ab 12. August 2026 gilt sie dann in allen EU-Mitgliedsstaaten. Für Deutschland wird noch ein Änderungsgesetz zum deutschen Verpackungsgesetz erwartet, um die neuen EU-Vorschriften mit dem bestehenden Verpackungsgesetz (VerpackG) zu harmonisieren.

All dies dürfte zu einem „Regulierungsdschungel“ führen, so Dr. Ronald Künneth, stellvertretender Leiter des IHK-Geschäftsbereichs Innovation | Umwelt. Die erste deutsche Verpackungsverordnung aus dem Jahr 1991 sei noch mit vier Seiten ausgekommen. Die PPWR umfasse dagegen 124 Seiten und werde noch fortlaufend durch sogenannte delegierte Rechtsakte der Europäischen Kommission und durch Durchführungsrechtsakte präzisiert. Deshalb müssten die Unternehmen praktisch fortlaufend auf Neuerungen achten. Dazu zählen beispielsweise die Kriterien und Leistungsstufen für ein recyclinggerechtes Design, Methoden zur Bewertung der Recyclingfähigkeit sowie Kontrollmechanismen entlang der gesamten Produktkette.

Einen kompakten Überblick zum praktischen Umgang mit der PPWR gaben der Fachberater Jan Söllig aus Schnaittach und die Rechtsanwältin Julia Meyer, die sich mit ihrer Kanzlei in Hummeltal auf Abfallrecht spezialisiert hat. Neu sind für Unternehmen insbesondere die Rollen, aus denen sich spezifische Verpflichtungen ergeben. Das betrifft alle Wirtschaftsakteure in den EU-Mitgliedsländern ausgenommen Kleinstunternehmen, die weniger als zehn Beschäftigte haben und jährlich weniger als zwei Mio. Euro umsetzen. Alle anderen müssen ihre Rolle als Erzeuger und Hersteller, Lieferanten, Importeure oder Vertreiber gemäß der EU-Verordnung prüfen. Außerdem gibt es die zusätzliche Rolle eines Bevollmächtigten, der Aufgaben in einem Mitgliedsland außerhalb des Stammsitzes übernehmen muss.

Betriebe mit verschiedenen „Rollen“

Erzeuger / Hersteller / Vertreiber / Lieferant: Eine Firma ist ein Erzeuger, wenn sie Verpackungen oder ein verpacktes Produkt herstellt oder im eigenen Namen oder mit eigener Marke entwickeln oder herstellen lässt. Sie könne, müsse aber nicht gleichzeitig Hersteller sein, erklärte Söllig. Ein Hersteller im Sinne der PPWR ist in der EU ansässig und stellt erstmals z. B. Transport- oder Serviceverpackungen bereit. Er kann aber auch Produkte in anderen Verpackungen anbieten. Somit kann ein Hersteller Erzeuger oder auch Importeur bzw. Vertreiber von Produkten aus einem Nicht-EU-Land sein, wenn Verpackungen über ihn erstmals hier auf den Markt kommen. Ein Vertreiber ist gemäß der PPWR derjenige in der Lieferkette, der Verpackungen auf dem Markt bereitstellt – aber kein Erzeuger oder Importeur ist. Als Lieferant gilt das Unternehmen, das Verpackungen oder Verpackungsmaterial an einen Erzeuger liefert.

Endabnehmer / Endverbraucher / Bevollmächtigter: Ein Endabnehmer oder auch Endverbraucher ist jede natürliche oder juristische Person mit Wohnsitz oder Niederlassung in der EU, wenn ihm ein Produkt entweder als Verbraucher oder als beruflicher Endabnehmer im Rahmen einer gewerblichen Tätigkeit bereitgestellt wird. Das macht also auch Unternehmen zu Endverbrauchern, die Waren für den Eigenbedarf anschaffen und die Verpackung nicht weiterverkaufen oder weiternutzen. Und schließlich erfüllt ein Bevollmächtigter im schriftlichen Auftrag eines Erzeugers bestimmte Aufgaben in einem EU-Mitgliedsland. Das gilt für jedes Land, in das ein Verpackungserzeuger verpackte Produkte – auch aus dem Online-Handel – liefert.

Sorgen für Klarheit beim PPWR (v.l.) Fachanwältin Julia Meyer, Berater Jan Söllig sowie vom IHK-Geschäftsbereichs Innovation | Umwelt Katharina Boehlke und Vize-Leiter Dr. Ronald Künneth

Je nach Rolle andere Pflichten

Aus den verschiedenen Rollen ergeben sich unterschiedliche Pflichten. Dabei geht es z. B. um eine Konformitätserklärung in Form einer schriftlichen Selbsterklärung, die für die jeweilige Verpackung bestätigt, dass alle Anforderungen der PPWR entlang der eigenen Lieferkette eingehalten werden. „Die Regelungen sind immer unternehmensbezogen anzusehen und auszuwerten“, unterstrich Meyer. Sie verwies auch auf Sonderregeln z. B. für Lebensmittelverpackungen, Verpackungen im medizinischen Bereich, Verpackungen für gefährliche Abfälle oder auch Pfandsysteme. Eine weitere Anforderung, die bereits ab August 2026 gilt, ist die Konformitätsbewertung inklusive technischer Dokumentation nach einem sogenannten Konformitätsbewertungsverfahren. Werden die Anforderungen nicht eingehalten, dürfen Verpackungen nicht mehr in den Verkehr gebracht werden.

Besorgniserregende Stoffe

Die Konformitätserklärung betrifft beispielsweise auch besorgniserregende Stoffe, wie etwa die Konzentration von Blei, Cadmium, Quecksilber oder Chrom. „Für die neuen Grenzwerte besteht künftig eine Nachweispflicht“, mahnte Söllig. „Diese EU-Konformität gilt für jede Verpackungsart.“ Die Erklärung beinhaltet auch Informationen zu wiederverwertbaren Verpackungen sowie künftig weitere Anforderungen wie den später gültigen Mindestanteil an recyceltem Material in Kunststoffverpackungen. Außerdem müssen biobasierte Rohstoffe in Kunststoffverpackungen, Angaben zu kompostierbaren Verpackungen und zur geforderten Minimierung der Verpackung enthalten sein. Außerdem gilt dann auch die Kennzeichnungspflicht für Verpackungen etwa in Form einer Seriennummer mit Postanschrift, die den Marktüberwachungsbehörden eine lückenlose Rückverfolgung erlaubt.

Registrierungspflicht

Zudem gibt es eine Registrierungspflicht im Herstellerregister in jedem Mitgliedstaat, in dem ein Unternehmen in der Rolle des Herstellers Verpackungen oder verpackte Produkte erstmals im Mitgliedstaat bereitstellt oder verpackte Produkte auspackt. Dort sind dann die jeweiligen Transportverpackungen und ausgepackte Verpackungen wie Glas, Kunststoff, Papier, Pappe und Karton für das Vorjahr zu melden. Ein zentrales Online-Portal, das Unternehmen bei den bürokratischen Prozessen entlasten würde, ist nicht vorgesehen. Hat das Unternehmen im jeweiligen EU-Mitgliedsland keine Niederlassung, muss es dort einen Bevollmächtigten bestellen.

Die beiden Experten Julia Meyer und Jan Söllig raten den betroffenen Unternehmen, zunächst in einem ersten Schritt zu klären, welche Rollen sie gemäß der EU-Verordnung einnehmen. Auf dieser Basis sollten sie dann die jeweiligen Pflichten identifizieren und priorisieren. Dabei sind insbesondere die Aufgaben wichtig, die bis zum 12. August 2026 umzusetzen sind. Daher lohnt es sich beispielsweise schon jetzt, bestehende Lieferantenverträge anzupassen. Darin sollten Informationen zu den 22 definierten Verpackungsarten enthalten sein, die für eine Konformitätserklärung benötigt werden.

Mit Blick auf die angekündigten ergänzenden Regulierungen ist es für Unternehmen ratsam, die eigenen Verpackungsmaterialien und ihre Recyclingfähigkeit genau in den Blick zu nehmen. Die EU reicht die Kriterien für eine recyclingorientierte Gestaltung bis Anfang 2028 nach. Bis 2030 folgen Methoden zur Bewertung von Recyclingfähigkeit sowie Kontrollmechanismen entlang der gesamten Produktkette. (tt.)

www.ihk-nuernberg.de/P674

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