Praktikerrat zum Bürokratieabbau: Wirtschaft kämpft gegen „Passierschein A38“

Nürnberg – Weniger Bürokratie, mehr Praxistauglichkeit und neues Vertrauen in wirtschaftliches Handeln: Das fordert der gemeinsame Praktikerrat der IHK Nürnberg für Mittelfranken und der Handwerkskammer für Mittelfranken (HWK). Bei einem Treffen im „Haus der Wirtschaft“ in Nürnberg kamen kürzlich Vertreter von Wirtschaft, Politik sowie kommunaler Verwaltung aus kreisfreien Städten und Landratsämtern zusammen. Sie tauschten sich darüber aus, wie sich praxisnahe Lösungen für weniger Bürokratie in der Bauwirtschaft entwickeln lassen.
Immer mehr Betriebe aus dem Planungs-, Bau- und Ausbaugewerbe wünschen sich einen Wandel hin zu mehr Vertrauen und weniger Bürokratie. Statt kleinteiliger Kontrollen und starrer Vorgaben braucht es pragmatische Freiräume und mehr Eigenverantwortung – gerade dort, wo Unternehmen Klima-, Ressourcen- oder Arbeitsschutz umsetzen. Zugleich müssen Regeln verlässlich gelten und Missbrauch konsequent geahndet werden.
Das machten auch die anwesenden Vertreter von Unternehmen und Handwerk deutlich. Sie berichteten über Fälle bürokratischer Hürden aus ihrem Alltag: So müssten beispielsweise Betriebsurlaube wegen fehlender Genehmigungen verlängert werden. Dachdecker hätten mit kleinteiligen Herkunftsnachweisen von Dachlatten zu kämpfen. Und Bauunternehmen bekämen keine Erlaubnis, Altholz zu verwerten, weil sie keine holzverarbeitenden Betriebe seien.
Ein weiteres Problem stellt sich oft, wenn Unternehmen Auskunft über den aktuellen Bearbeitungsstand eines Bauantrags haben wollen: Grund ist unter anderem, dass die Formulare von mehreren Stellen bearbeitet werden. Hier könnte eine digitale Lösung Verbesserung bringen, vergleichbar einer Sendungsverfolgung bei Paketzustellungen. Ein weiterer Lösungsansatz, den Unternehmen und Handwerk vorschlagen: Wenn die Wirtschaft bei Satzungsänderungen vorab einbezogen würde, könnten Fehlsteuerungen vermieden werden. Ein Beispiel sind kommunale Satzungen, die den Nachweis von Stellplätzen regeln.
Bürokratieabbau sei in der Bevölkerung so massiv angekommen wie kaum ein anderes Thema, erklärte Walter Nussel, Beauftragter für Bürokratieabbau der Bayerischen Staatsregierung. Sein Leitbild sei Artikel 153 der Bayerischen Verfassung, der dazu anhält, Betriebe in ihrer Entwicklung zu fördern und vor Überlastung zu schützen. „Drei Aspekte stehen für mich bei der Umsetzung im Vordergrund: Mehr Eigenverantwortung, Kommunikation verbessern, praxisnahe Umsetzung“, so Nussel. „Wir müssen vor die Lage kommen und lieber vor Veröffentlichung von Rechtsnormen aus der Praxis heraus analysieren, als im Nachhinein gegenzusteuern.“
Effizientere Abläufe sind aus Sicht von Ministerialdirigent Dr. Martin Kraus-Vonjahr von elementarer Bedeutung. Der Abteilungsleiter für Recht, Planung und Bautechnik im Bayerischen Staatsministerium für Wohnen, Bau und Verkehr betonte: „Unser Ziel muss es sein, einfacher, schneller und kostengünstiger zu bauen. Dazu müssen wir Regelungen und Verfahren auf den Prüfstand stellen. Gerade der Beitrag der Kammern und der Bauwirtschaft ist dabei essenziell, um erfolgreich zu sein.“
Auch IHK-Präsident Dr. Armin Zitzmann plädierte für mehr Wirtschaftlichkeit und Effizienz: „Was wir vorschlagen, ist kein Abbau von Qualität – sondern ein Abbau von Überregulierung. Wir wollen nicht weniger Kontrolle – sondern intelligentere Verfahren. Und wir wollen nicht weniger Nachhaltigkeit – sondern mehr Wirtschaftlichkeit durch weniger Hürden.“
Thomas Pirner, Präsident der Handwerkskammer für Mittelfranken, warb für mehr Vertrauen beim Thema Bürokratieabbau: „Mehr Vertrauen in das Handwerk bedeutet: weniger komplizierte Regeln, mehr Praxisnähe und Verfahren, die schneller und einfacher laufen. Unsere Betriebe zeigen jeden Tag, dass sie Probleme lösen und Innovationen vorantreiben können – sei es in der Sanierung von Gebäuden, bei der Energiewende oder im Wohnungsbau. Damit das gelingt, brauchen wir politische Rahmenbedingungen, die uns unterstützen statt ausbremsen.“
Die Mitglieder des Praktikerrats wollen ihren Austausch fortführen und intensivieren. Dazu sollen weitere Treffen von IHK und HWK mit der Bayerischen Staatsregierung stattfinden. Das Gremium war im Sommer 2024 von den beiden Kammern ins Leben gerufen worden und befasst sich schwerpunktmäßig mit dem Thema „Planen und Bauen“. Die Beteiligten diskutieren Möglichkeiten, wie Genehmigungsverfahren sowie Baustellenplanung und -management effizienter werden können. Hintergrund sind zahlreiche Klagen von Unternehmen aus der Bauwirtschaft, die eine zu hohe Regelungsdichte kritisieren. Die Anregungen des Praktikerrats aus dem vergangenen Jahr fanden bereits Eingang in die Modernisierungsgesetze Bayerns.
Fotos von der Sitzung des Praktikerrats finden Sie unter folgendem Link:
www.ihk-nuernberg.de/pressefotos
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