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Amerikanische Firmenphilosophie im Fränkischen Seenland

Ob heute die Standortentscheidung noch einmal für Pleinfeld getroffen würde, weiß keiner der Gesprächspartner beim weltweit erfolgreichen US-Konzern W.L. Gore & Associates. Aber die rund 300 Mitarbeiter, die bei dem international führenden Spezialisten in der Verarbeitung von Fluorkunststoffen ihr Geld verdienen, haben in den zwei Werken in der Nähe des Brombachsees einen sicheren Arbeitsplatz gefunden. „An der Personalzahl wird sich in den nächsten Jahren voraussichtlich nichts ändern“, sagt Theo Baumann, General Manager bei Gore. In Pleinfeld arbeitet rund die Hälfte der Mitarbeiter in der Produktion, die restlichen hoch spezialisierten, zum großen Teil wissenschaftlich ausgebildeten Kunststoff-Experten sind in Forschung, Entwicklung oder Vertrieb tätig.

Gore sieht sich als besonderer Arbeitgeber, man wolle den weltweit rund 6 500 Mitarbeitern ein hervorragendes Umfeld bieten. In Deutschland ist die 1958 von Wilbert L. Gore und seiner Frau Genevieve gegründete Firma gerade Anfang des Jahres im Wettbewerb „Deutschlands Beste Arbeitgeber 2005“ auf den Gesamtrang 9 und bei den Unternehmen mit 501 bis 5 000 Mitarbeitern auf Rang 5 gewählt worden. Auch in den USA, in Großbritannien oder Italien zählt Gore stets zu den besten und beliebtesten Arbeitgebern.

Neben Pleinfeld ist das Unternehmen in Deutschland, wo insgesamt 1 200 Mitarbeiter arbeiten, noch in Putzbrunn und in Feldkirchen-Westerham bei München angesiedelt. Aber eigentlich sind schon die Begriffe „Mitarbeiter“ oder „Arbeitnehmer“ im Hause Gore nicht korrekt. Schon bei der Firmengründung schuf Gore eine flache Organisationsstruktur ohne starre Hierarchien oder vorbestimmte Kommunikationskanäle. Und für jeden Mitarbeiter gibt es deshalb auch nur einen Titel: „Associate“. Für die Zusammenarbeit in der Firma hat Firmengründer Bill Gore grundlegende Prinzipien festgelegt, auf deren Einhaltung auch heute noch viel Wert gelegt wird: Fairness untereinander sowie die Freiheit, andere Associates zu ermutigen und ihnen dabei zu helfen, sich Wissen, Fähigkeiten und Verantwortung anzueignen. Hoch im Kurs steht die Fähigkeit zur Übernahme von Verpflichtungen und deren Einhaltung sowie die Beratung mit andern Associates vor dem Ergreifen von Maßnahmen, die dem Ruf des Unternehmens schaden könnten. Die Gore-Mitarbeiter, so Baumann, danken es dem Unternehmen mit hoher Loyalität und großem Engagement.

Business Leader Frank Fuhrhop: „Die 38-Stunden-Woche war bei uns nur kurze Zeit ein Thema. Schon seit Jahren wird bei Gore wieder 40 Stunden in der Woche gearbeitet. Und die flexiblen Arbeitszeitkonten ermöglichen es allen, auf die Wünsche und Anforderungen der Kunden einzugehen.“ So konnte man auch am Karfreitag Morgen in den Gore-Büros in Pleinfeld noch den einen oder anderen Mitarbeiter bei der Arbeit sehen. Die Kunden in Los Angeles, Singapur oder Tokio interessiert in der globalisierten Wirtschaft von heute ohnehin nicht sonderlich, welche Feiertage in Deutschland im Kalender stehen oder wie viele Urlaubstage der einzelne Mitarbeiter nehmen sollte. Die große Verbundenheit mit Gore schlägt sich nicht zuletzt auch in der Betriebstreue nieder. Gerade vor wenigen Wochen wurden 47 Jubilare für die zehn-, 15, 20- oder 25-jährige Firmenzugehörigkeit geehrt. Gemeinsam haben sie bereits stolze 775 Jahre bei Gore verbracht. Und während dieser Zeit nicht nur ein gutes Gehalt und eine zusätzliche Altersvorsorge bezogen, sondern auch viele Firmenanteile in ihr virtuelles Gore-Depot packen können.

„Goretex“ nur eine von vielen Anwendungen
Zu verdanken haben die Gore-Associates den Unternehmenserfolg vor allem einem Stoff, Polytetraflourethylen, abgekürzt PTFE. Bob Gore, heute Vorstandschef des Unternehmens, fand heraus, dass durch schnelles Dehnen von PTFE sehr kräftiges Material erzeugt werden kann. Der Werkstoff, als Gore bekannt, hat verblüffende Eigenschaften: Er ist fest, chemisch beständig, hält Wärme, Chemikalien und Hitze aus, hat einen niedrigen Reibungswiderstand, ist elektrisch isolierend und sichert die schnelle Übertragung von Daten und Signalen. Und findet deshalb Einsatz in fast allen Bereichen.

Wer bei Gore nur an die wetterfesten, wasserdichten und atmungsaktiven Textilien (Goretex) denkt, liegt falsch. In Pleinfeld werden bei Gore ohnehin hauptsächlich Produkte zur elektronischen Signalübertragung produziert und entwickelt. Auch auf der Visitenkarte von Ulrich Schricker steht deshalb der Hinweis auf die „Electronic Products Division“, bei der der erfahrene Diplomingenieur als Leader Technology arbeitet. „Irgendwann kriegen wir euch alle“, lacht Schricker: Er weiß, dass Gore-Produkte im täglichen Leben, im Gesundheitswesen oder in der Luft- und Raumfahrt heute unverzichtbar sind.

Gore ist weltweit führend bei der schnellen, hochfrequenten Signalübertragung über Faseroptik- und Kupferkabel. In den elektronischen Kabeln von Gore erreichen Signale in Höchstgeschwindigkeit, genau und ganz stabil ihr Ziel. Auch Mediziner verlassen sich bei ihren Geräten und chirurgischen Geweben auf Gore-Produkte, die keine Immunabwehr des Körpers herausfordern und mit höchster Präzision im menschlichen Körper verankert werden können. Aber die neu entwickelten, zuverlässigen Gore-Produkte finden auch in Flugzeugen, Raketen und Raumfahrzeugen Verwendung. Stoffe mit dem Aufdruck Gore, vielleicht in Pleinfeld produziert, kann man auch auf dem Mond oder dem Mars finden.

Englisch als Umgangssprache
Bei so vielen internationalen Kunden und Geschäftspartnern spielt die komplikationslose Kommunikation eine besondere Rolle. Wird am Pleinfelder Nordring nur noch Englisch oder auch noch Deutsch gesprochen? Die Frage sorgt bei den Gore-Associates für Heiterkeit, auch sprachlich sind sie längst in der globalisierten Welt angekommen. Aber den Weg ins Fränkische Seenland treten die Gore-Partner aus Europa, Asien oder den USA dennoch immer wieder gern an. Bis zum Münchner Flughafen sind zwar einige Kilometer zurückzulegen, aber, so Schricker, „in vielen Städten der USA braucht man auch eine Stunde bis zum Airport“.

hpw.
 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 05|2005, Seite 50

 
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