Die Finanzierungslage des deutschen Mittelstandes ist trotz historisch niedriger Kapitalmarktzinsen weiterhin ernst. Dies ist das Fazit einer aktuellen Umfrage des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) unter mehr als 20 000 Unternehmen.
Die Umfrage zeigt, dass eine risikoabhängige Preisgestaltung von Darlehen – bereits im Vorfeld von Basel II – mittlerweile in den meisten Banken und Sparkassen üblich ist. „Hierauf müssen wir Unternehmer uns wohl oder übel einstellen“, sagte Bollin-Flade; sie wies aber auch auf die Chancen hin, die die „unbequeme Prozedur“ des Rating mit sich bringe. Axel Nitschke betonte in Berlin die zentrale Bedeutung der Eigenkapitalausstattung der Unternehmen bei der Kreditvergabe. Kreditinstitute orientierten sich sehr stark an den harten Bilanzzahlen ihrer Kunden, insbesondere an deren Eigenkapitalquote. Dagegen werde den zukünftigen Geschäftsaussichten eines Unternehmens deutlich weniger Gewicht beigemessen als den Vergangenheitsdaten. Nitschke: „Unser Eindruck ist: Die ,Bilanz von gestern‘ zählt mehr als die ,Bilanz von morgen‘.“
Ein weiteres zentrales Ergebnis der DIHK-Umfrage: Investitionspläne und Beschäftigungsabsichten der Unternehmen leiden auch unter den restriktiven Bedingungen des Kreditbezugs. Allerdings belasten der Erhebung zufolge derzeit weniger die Zinsen die Kreditkonditionen, sondern die gestiegenen Anforderungen der Hausbanken an Sicherheiten.
Die zuletzt lauter gewordenen Rufe, die Europäische Zentralbank solle die Leitzinsen weiter absenken, seien nicht zielführend, so Nitschke. „Wen das aktuelle Zinstief noch nicht zu Investitionen angeregt hat, der wird sich durch eine weitere Leitzinssenkung der EZB kaum zu Investitionen motivieren lassen.“ Für die Unternehmen mit Kreditproblemen komme es in erster Linie darauf an, ihre Eigenkapitalsituation zu verbessern, um dadurch die Verhandlungsposition in Gesprächen mit ihrer Hausbank zu stärken.
„Die Verringerung der Abgabenlast wäre deshalb die beste wirtschaftspolitische Unterstützung für die Finanzierungssituation der Unternehmen“, so der DIHK-Chefvolkswirt. „Wir erwarten von jeder neu gewählten Bundesregierung möglichst sofort nach den angekündigten Neuwahlen Entlastungen für die Unternehmen bei Steuern und Arbeitskosten.“