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Am wirklichen Leben vorbei

Das Fernsehen zeichnet in seinen Unterhaltungssendungen ein schrilles Bild von der Berufswelt.

Ein Textilunternehmer soll versucht haben, seinen Geschäftsführer zu ermorden, weil dieser seine Ehefrau geschwängert und ihn im eigenen Unternehmen entmachtet hat. Dafür landete der Unternehmer bei Sat.1 in der Sendung „Richter Alexander Hold“ auf der Anklagebank. Die Geschichte ist bezeichnend für die Fernsehunterhaltung, die vielfach ein schiefes Bild von der Berufswelt zeichnet. Dies ist das Ergebnis einer aktuellen Studie des IFEM-Instituts Köln im Auftrag des Ernst-Schneider-Preis der deutschen IHKs e.V.

Demnach weicht in den fünf meist genutzten Programmen ARD, ZDF, RTL, Sat.1 und ProSieben die Berufswelt in der Fernsehunterhaltung von der Realität erheblich ab. Es dominieren Ärzte, Rechtsanwälte, Kommissare, Polizisten, Sänger und Gastronomen. Dagegen kommen ganz normale Berufe, wie sie die Mehrheit der Erwerbstätigen in Deutschland ausübt, in der Fernsehrealität selten vor. Bei RTL und Sat.1 finden sich am meisten Ordnungs- und Sicherheitsberufe, bei der ARD am meisten Medien- und künstlerische Berufe.

Jeder Vierte im Fernsehen ist selbstständig, aber selten Unternehmer, sondern meist Freiberufler - in den Unterhaltungssendungen sind dies vor allem Ärzte, Anwälte und Berufe des Showbusiness. Das Fernsehen zeigt sie neun Mal häufiger als sie in der Realität vorkommen. Dabei werden die Unternehmer im Verhältnis zu den Freiberuflern eher in unvorteilhaften Rollen gezeichnet.

Obwohl Zuschauer das Gesehene als fiktive Handlung einordnen, beeinflusst das Fernsehen dennoch das Bild von der Realität. Es berührt Wertorientierungen und kann Berufswünsche fördern oder verhindern. Bei durchschnittlich über drei Stunden Fernsehnutzung pro Tag werde die Fernsehrealität auch zu einem Orientierungsfaktor, so die Autoren der Studie. Wer Unternehmer in zwielichtigen und unsympathischen Rollen erlebe, werde diesen Berufstyp weniger attraktiv und weniger „freundlich“ finden. Die Leistungen der Unternehmer (z.B. Schaffung von Arbeitsplätzen, Innovation) kommen in der Fernsehunterhaltung leider kaum vor.
 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 10|2005, Seite 15

 
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