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Markt und Moral - wie passt das zusammen?

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Hommage zum 1000-jährigen Jubiläum der Stadt Fürth: Das Kammergespräch der IHK, das traditionell im Feuerbachsaal des Nürnberger Haupthauses stattfindet, zog in die Geburtsstadt Ludwig Erhards, um ethische Fragen des Wirtschaftslebens zu diskutieren.

Ein Unternehmen fährt Milliardengewinne ein und kündigt gleichzeitig den Abbau von mehreren Tausend Arbeitsplätzen an. Ein Hotelbesitzer freut sich über ausgebuchte Zimmer, lässt diese aber von Putzkolonnen reinigen, die für Stundenlöhne von weit unter dem Existenzminimum arbeiten. Und während in Deutschland mehr als vier Mio. Menschen eine Arbeit suchen, verlagern Firmen ihre Produktion nach Osteuropa oder China, wo der Aufschwung auf Kosten der Umwelt und der Gesundheit der dort lebenden Menschen geht. Ist das moralisch? Sind moralisches Verhalten und erfolgreiches Wirtschaften für Unternehmer vereinbar? Dieses Themas hat sich das 128. Kammergespräch angenommen, das am 6. Februar in der Fürther Stadthalle in Form einer Podiumsdiskussion stattfand.

In der Theorie ist alles ganz einfach: Markt und Moral gehören zusammen, weil ohne moralische Werte kein verlässliches Wirtschaften möglich ist, erklärte der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), Ludwig Georg Braun. Es liege im Interesse des Unternehmers, nachhaltig zu wirtschaften und seine Partner stets korrekt zu behandeln, um auch in Zukunft mit ihnen Geschäfte machen zu können. Aber wird dies in der Praxis auch eingehalten?

Der Wirtschafts- und Finanzmarktwissenschaftler Prof. Dr. Wolfgang Gerke bringt es auf den Punkt: „Die Finanzmärkte haben längst weltweit die Regie übernommen. Die Schlacht ist geschlagen. Die Politik, die Gesellschaft ist von den Finanzmärkten entmachtet“, lautet sein Fazit. Und Deutschland, Verfechter der sozialen Marktwirtschaft, müsse sich damit abfinden und könne allenfalls versuchen, moralische Ziele vorzugeben, um die Entwicklung ein wenig zu lenken. Doch wie sollen solche moralischen Vorgaben aussehen, und können Unternehmer überhaupt danach handeln?

„Damit ein Unternehmen existieren kann, kommt die Moral nicht an aller erster Stelle“, stellte IHK-Präsident und GfK-Chef Prof. Dr. Klaus L. Wübbenhorst klar. „Wichtiger ist, dass ein Unternehmen Sicherheit bietet, also Arbeitsplätze.“ Und da Moral auch mit Verantwortung zu tun habe, gehöre dazu, dass sich Unternehmen zum Beispiel als Sponsoren engagierten. Ohnehin seien Manager damit beschäftigt, sich den ganzen Tag lang Gedanken darüber zu machen, wie sie ihr Unternehmen im Wettbewerb an der Spitze halten könnten. „Dabei steht das gesamte Unternehmen im Blickpunkt des Managers und – falls es international tätig ist – nicht eine einzelne Region.“

Stellenabbau trotz Gewinnen
DIHK-Präsident Braun geht noch einen Schritt weiter: Es sei moralisch korrekter, erklärte er, wenn ein Unternehmen trotz hoher Gewinne Stellen abbaue, anstatt „die Augen vor der Realität zu verschließen“ und dadurch womöglich den richtigen Zeitpunkt für Kosteneinsparungen zu verpassen. Schließlich müsse ein Unternehmen handeln, wenn es die finanziellen Mittel dazu habe. Beispiel Deutsche Bank: Sie sei in der Zeit der Umstrukturierung nicht um harte Einschnitte und Entlassungen herumgekommen. Dies sei nötig gewesen, um die Gefahr einer Übernahme zu bannen. Die Erfolge der Umstrukturierung seien heute bereits sichtbar: Die Bank stellt wieder neue Mitarbeiter ein und weist hohe Gewinne aus.

Hier hakte der Professor für Wirtschafts- und Gesellschaftsethik am Oswald-von-Nell-Breuning-Institut, Friedhelm Hengsbach, ein: „Wessen Interessen werden in einem Unternehmen eigentlich bedient?“, fragte er. Wenn sich das Streben der Manager an den Wünschen der Finanzmärkte orientiere, entspreche dies häufig nicht den Interessen der Arbeitnehmer. Hier bestehe also reichlich Konfliktpotenzial. Die Frage müsse daher eher lauten, wie diese Konflikte langfristig ausgeräumt werden könnten.

Dagmar Wöhrl, Parlamentarische Staatssekretärin im Bundeswirtschaftsministerium, sieht dagegen keinen unmittelbaren Widerspruch zwischen den Interessen der Finanzmärkte und der Arbeitnehmer. „Ich glaube, manchmal sollte man auch die positiven Dinge sehen“, sagte sie und wies darauf hin, dass ja auch Arbeitnehmer Aktien besitzen könnten und dann von Kurssteigerungen selbst profitieren. Überdies habe der Eigennutz, Gewinne zu machen, auch eine moralische Dimension: „Denn wer Gewinn macht, kann auch investieren und damit Arbeitsplätze schaffen.“

Streitpunkt Mitarbeitermotivation
Für Hengsbach geht dies an der Realität vorbei: „Wenn der Gewinn gesteigert wird, geht das meist auf Kosten des Lohnes.“ Die Arbeitseinkommen würden gesenkt, damit der Gewinn steige. Daher sei die entscheidende Frage, wie die Wertschöpfung geteilt werde. Es sei „ein schönes Märchen“, dass Investitionen nur aus Gewinnen und durch Lohnverzicht entstehen könnten. „Sie können auch über ausreichend hohe Löhne entstehen, z.B. über den Konsum“, erklärt er. Die Leistungsträger seien schließlich nicht nur unter den übertariflichen bezahlten Managern zu finden, sondern in allen Ebenen der Unternehmen und der Gesellschaft. Dennoch, und das gehe aus einer Umfrage hervor, bezeichneten nur drei Prozent der Arbeitnehmer ihre Stelle als „gut“. „Es fehlt also an Motivation“, fasste Hengsbach zusammen. Ein Umstand, den Wübbenhorst so nicht akzeptiert. „Die Unternehmen tun einiges, um ihre Mitarbeiter zu motivieren und in den Arbeitsprozess zu integrieren. Diese drei Prozent entsprechen nicht dem Bild, das ich von den Mitarbeitern in Deutschland habe, und auch nicht dem, was Deutschland braucht“.

Doch Hengsbach warf noch einen weiteren Gedanken auf: „Ist es denn wirklich schon entschieden, dass Aktienkurse und Rendite die einzigen Erfolgsmaßstäbe für Unternehmer sein müssen. Oder gibt es nicht doch noch eine Chance, in Europa einen anderen als den amerikanisch-geprägten Finanzmarktstil aufzubauen? Einen Stil, der alle den segensreichen Teil der Finanzwelt spüren lässt. “ Für Gerke reine Sozialromantik: „Die effizienteste Form ist der Markt. Deswegen wird sich diese Form durchsetzen.“

Braun sieht einen Ausweg in familiengeführten Unternehmen. Diese müssten freilich von der Politik entsprechend gefördert werden, beispielsweise durch eine Reform der Erbschaftssteuer. Denn, so lautet sein Credo: Inhaber haben immer das Bestehen ihrer Unternehmen im Blick, weshalb sie einen nachhaltigen Führungsstil pflegen. Hengsbach favorisiert dagegen eine andere Lösung: Politiker müssten Regeln und Gesetze zum moralisch korrekten Verhalten vorgeben.

Doch da Politiker diesbezüglich selbst nicht immer als gutes Beispiel durchgehen, bleibt noch eine dritte Möglichkeit: Die Verbraucher. Durch ihr Kaufverhalten können die Menschen Akzente setzen. GfK-Chef Wübbenhorst bringt es auf den Punkt: „Der Verbraucher hat ein ganz hohes Maß an eigener Durchsetzungskraft erzielt, und die nimmt er auch wahr.“

Autor/in: 

Brigitte Caspary

 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 03|2007, Seite 8

 
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