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Handelsvertreter

Mehr als nur Warenvermittler

Mittelständische Unternehmen können sich oft keine eigene Außendienstorganisation leisten. Sie beauftragen damit externe Handelsvermittlungen. Von Norbert Wolff

Stagnierende oder schrumpfende Nachfrage in vielen gesättigten Branchen, ein zunehmend harter Konkurrenzkampf sowie Konzentration in Industrie und Handel. Das sind aktuelle Trends, mit denen sich die Handelsvertreter derzeit konfrontiert sehen. Die Internationalisierung ist ein weiterer Trend, der den Vertrieb herausfordert. Handelsvermittlungen sind Spezialisten, die sich auf den Märkten auskennen und die für die Kundenunternehmen sämtliche Aufgaben des Vertriebs übernehmen.

Der selbstständige Vertrieb ist in der Praxis unterschiedlichen Vertriebsinstrumenten mit jeweils unterschiedlicher rechtlicher Grundlage übertragen. Handelsvertretungen sind selbstständige Unternehmen, die in nahezu allen Branchen tätig sind. Sie vermitteln Waren zwischen Unternehmen auf allen Wirtschaftsstufen, zwischen Industrie und Handel, zwischen Industrieunternehmen (z.B. im Zulieferbereich) oder auch zwischen Groß- und Einzelhandel. Auch Vertriebsingenieure können selbstständig tätig sein. Sie arbeiten an der Schnittstelle zwischen Markt und Technik im Vertrieb von technischen Gütern und Dienstleistungen. Neben dem Einzelhandel und dem Großhandel gehört die Handelsvermittlung zu den drei klassischen Bereichen des Handels, die Handelsvertretungen bilden dabei den Kernbereich.

Das Bild einer modernen Handelsvertretung hat sich jedoch in den letzten zehn Jahren grundlegend gewandelt. Handelsvertreter befassen sich schon längst nicht mehr nur mit bloßer Warenvermittlung, sie sind zu Komplettdienstleistern geworden und auf vielen Ebenen Partner von Industrie und Handel. "Heutzutage haben wir die vielfältigsten Aufgaben im Umgang mit unseren Vertriebspartnern zu erfüllen", so Michael Rambach, Vizepräsident des Bayerischen Wirtschaftsverbandes für Handelsvermittlung und Vertrieb (CDH) e.V. "Zu unseren Aufgaben zählen Kundenschulungen und Gewährleistungsabwicklung genauso wie die Rechnungsstellung und Zahlungsüberwachung." In den letzten Jahren habe sich zudem angesichts der eingangs genannten Trends ein tiefgreifender Strukturwandel vollzogen, der noch in vollem Gange sei. Die rechtlichen Rahmenbedingungen für Handelsvertreter sind zwar seit vielen Jahren konstant, der Gesetzgeber ist im Bereich des Handelsvertreterrechts nicht sonderlich aktiv. Gleichwohl sorge eine Fülle von höchstrichterlicher Rechtsprechung für eine starke Verrechtlichung, die Komplexität des Vertriebsrechts sei für den einzelnen Handelsvertreter kaum noch zu überblicken. Beispiele seien die Themen Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters oder Anforderungen an einen sogenannten Buchauszug.

Neben die Kerntätigkeit des Handelsvertreters, die Vermittlung von Waren, ist ein Paket an Dienstleistungen rund um den Vertrieb getreten: Information und Beratung, technischer Beratungsdienst und Entwicklungsarbeiten, Auslieferungslager, Musterlager, Repräsentation bei Messen und Ausstellungen, Durchführung und Kontrolle von Sonderaktionen, Regalpflege, Organisation und Durchführung von Logistikleistungen und anderes mehr. Welche Funktionen oder Unterfunktionen ein Unternehmen an den externen Vertriebspartner ausgliedert bzw. welche die Handelsvertretung übernimmt, ist von Fall zu Fall verschieden und sollte im Einzelfall vertraglich geregelt werden.

Das Agieren als selbstständiges Distributionsorgan und das Treffen eigener unternehmerischer Entscheidungen setzt eine gewisse Unabhängigkeit voraus. Dies ist besonders bei Mehrfirmenvertretern der Fall, die in Deutschland bei weitem überwiegen. Etwa 90 Prozent aller Handelsvertretungen fallen in diese Kategorie. Die Anzahl der vertretenen Firmen liegt im Durchschnitt bei sechs, allerdings bei stark branchenabhängiger Schwankung. In zunehmenden Maß übernehmen Handelsvertretungen auch die Vertretung ausländischer Firmen: 55 Prozent verfügen mittlerweile über mindestens eine ausländische Vertretung. Das Vertragsverhältnis besteht dabei in vielen Fällen über Jahre hinweg. Mit fast 16 Prozent der vertretenen Firmen besteht das Vertragsverhältnis sogar mehr als 20 Jahre. Mit jeder fünften vertretenen Firma arbeitet eine Handelsvertretung zwischen elf und 20 Jahren zusammen.

Die Vertretung mehrerer Firmen ist dabei auch eine wichtige Voraussetzung für das Erfüllen der Sortimentsfunktion. Die Kunden profitieren von der Zusammenarbeit mit Handelsvertretungen u.a. dadurch, dass sie durch das zusammengestellte Sortiment (Sortimentsbündelung) ein Angebot sich ergänzender Erzeugnisse finden und so den Einkauf mit wenigen Geschäftspartnern rationeller abwickeln können. Eine Handelsvertretung, die mehrere Firmen mit sich ergänzenden Produkten vertritt, kann hier den optimalen Service leisten.

Der Kundenstamm ist das Kapital, das die Handelsvertretungen in die Partnerschaft mit den vertretenen Firmen einbringen. Sie agieren sozusagen als "Relationship-Manager" und vertreten die Interessen beider Marktpartner. Die richtigen Informationen zum richtigen Zeitpunkt zu haben, kann einen entscheidenden Wettbewerbsvorsprung bedeuten, gerade in Märkten, wo die Produkte einem raschen technologischen Wandel oder modischen Trends unterliegen. Handelsvertretungen mit engem Kontakt zu beiden Marktseiten haben – auch durch die Mehrfirmenvertretung – vielfältigen Zugang zu diesen marktrelevanten Informationen.

Die rund 60 000 Handelsvertretungen in Deutschland mit über 200 000 Beschäftigten vermitteln Waren im Wert von etwa 178 Mrd. Euro pro Jahr. Einschließlich eines Eigenumsatzes von ca. fünf Mrd. Euro ergibt sich ein Einschaltungsgrad in die inländischen Warenströme von rund 30 Prozent – eine starke Position der Handelsvertretungen auf den Absatzmärkten. Der CDH e.V. mit Sitz in Berlin repräsentiert als Spitzenverband die mehr als 60 000 Handelsvermittlerbetriebe aller Branchen, in Bayern sind es 1 750 Mitgliedsunternehmen.

Externer Kontakt: Rechtsanwalt Norbert Wolff ist Geschäftsführer des Bayerischen Wirtschaftsverbandes für Handelsvermittlung und Vertrieb (CDH) e.V., Geschäftsstelle Nürnberg (norbert.wolff@bayern.cdh.de ).
 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 12|2008, Seite 14

 
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