Know-how zum Druckaufbau
Das Nürnberger Traditionsunternehmen Leistritz AG liefert Technik für Energiewirtschaft und zahlreiche Industriebranchen.


Die Produktpalette der Leistritz AG in Nürnberg deckt ein ziemlich großes Spektrum ab: Die kleinsten Bauteile haben nur wenige Zentimeter, etwa kleine Schaufeln für ein Triebwerk. Demgegenüber stehen Anlagen wie Offshore-Pumpen mit mehreren Metern Höhe. Dazwischen fertigt das Industrieunternehmen, das im Sommer sein 120-jähriges Bestehen feierte, ein vielfältiges Portfolio an Technik für Turbinen, Pumpen, Produktion und Extrusion.
Letzteres bezeichnet ein Verfahren, bei dem plastisch verformbare Massen wie Kunststoff mittels einer sogenannten Schnecke mit hohem Druck und hoher Temperatur durch eine formende Öffnung gepresst werden. Eine Spezialität des Unternehmens sind sogenannte Doppelschnecken-Extruder: Dabei laufen zwei Spindeln ineinander. Die Technologie kommt u. a. in der Kunststoff-, Verpackungs- und Lebensmittelbranche zum Einsatz, aber auch in der Pharmaindustrie. Das Besondere daran ist, dass man das Extrudat – also das, was dabei herauskommt – durch Anpassung von Geschwindigkeit und Temperatur individuell ausformen kann. Das ist beispielsweise bei Getränkeflaschen aus Kunststoff von Vorteil, bei denen der Verschluss aus härterem Plastik bestehen muss als der Rest des Behältnisses. In diesem Zusammenhang spielen auch die Themen Re- und Upcycling eine Rolle: Mit Leistritz-Anlagen lassen sich nachhaltige Kunststoffprodukte effizient herstellen – etwa PVC- und chlorfreie Bodenbeläge oder vollständig recycelbare Materialien. Einen wachsenden Markt sehe man auch im Lebensmittelbereich, etwa bei der Verarbeitung pflanzlicher Proteine zu Fleischersatz.
Neben den Extrusionsanlagen entwickelt und fertigt Leistritz Schaufeln, Scheiben und Komponenten für Triebwerke und Turbinen. Sie finden weltweit Verwendung in Kraftwerken und Flugtriebwerken. Durch den Einsatz der Bauteile können beim Fliegen die Emissionen nach eigenen Angaben um bis zu 30 Prozent reduziert werden. Ein weiterer Geschäftsbereich ist die Pumpentechnologie, wo sogenannte Schraubenspindelpumpen gefertigt werden. Sie werden u. a. in Öl- und Gasindustrie, Schiffbau, Chemie und Energietechnik benötigt. Ein besonderes Erzeugnis des Hauses sind sogenannte Multiphase-Pumpen, die die gleichzeitige Förderung von Öl und Gas ermöglichen. Damit könne man auf das klimaschädliche Abfackeln von Begleitgasen verzichten, erklärt Firmensprecher Mathias Künstner. Der vierte Geschäftsbereich ist am Standort Pleystein in der Oberpfalz angesiedelt: Dort entwickelt Leistritz Werkzeugmaschinen und Werkzeuge für die Metallbearbeitung, beispielsweise für die Automobilindustrie, die Agrartechnik oder für Komponenten in der E-Mobilität.

Mehr als 1 900 Beschäftigte, davon 800 am Standort in Nürnberg, arbeiten weltweit für das Industrieunternehmen, das in über 13 Ländern vertreten ist. Die Kunden stammen u. a. aus Automobilindustrie, Luftfahrt und Medizintechnik. „Durch unsere vier Geschäftsbereiche sind wir nicht einseitig von der konjunkturellen Entwicklung in bestimmten Branchen abhängig“, sagt Firmensprecher Künstner. Auch das Thema Fachkräftemangel bereite derzeit keine Sorgen: „Da wir so breit aufgestellt sind, finden uns junge Ingenieure sehr interessant.“
Die Wurzeln von Leistritz reichen zurück bis ins Jahr 1905, als Paul Leistritz die Maschinenfabrik Paul Leistritz in Nürnberg gründete. Bereits im ersten Jahr bekam das Unternehmen seinen ersten großen Auftrag von der MAN-Motorenfabrik, der 30 000 Metall-Schaufeln für Dampfturbinen umfasste. In den darauffolgenden Jahrzehnten kam die Entwicklung von Schraubenspindelpumpen, Schalldämpfern und Extrudern hinzu. In den 70er Jahren expandierte Leistritz in die USA, außerdem baute es die Niederlassung in der Oberpfalz auf. 1985 firmierte das Unternehmen in eine Aktiengesellschaft um. Weitere Standorte in Frankreich, Singapur und Italien folgten in den 90er und Nuller Jahren, zudem entstanden die heute vier eigenständigen Tochtergesellschaften. Auch in China, Thailand, Kroatien und Indien ließ sich die Firma in den darauffolgenden Jahren nieder. 2016 übernahm die Dr. Helmut Rothenberger Holding GmbH die Leistritz AG. Im vergangenen Jahr setzte das Unternehmen 425 Mio. Euro um und absolvierte damit das nach eigenen Angaben erfolgreichste Geschäftsjahr.
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