Telefon: +49 911 1335-1335

EU-Osterweiterung – ein Jahr danach

Mehr Chancen als Risiken sehen die exportorientierten Unternehmen Mittelfrankens in der EU-Erweiterung. Dies ist ein Ergebnis einer aktuellen Online-Umfrage der IHK in dieser Unternehmensgruppe - ein Jahr, nachdem die EU die größte Erweiterungsrunde seit ihrem Bestehen umgesetzt hat.

Seit dem 1. Mai 2004 gehören mit Estland, Lettland, Litauen, Polen, Tschechien, Slowakei, Ungarn, Slowenien, Malta und Zypern zehn weitere Staaten der EU an. Da die neuen Mitgliedstaaten wirtschaftlich stärker wachsen – im vergangenen Jahr um fast fünf Prozent – erklären die meisten Wirtschaftsexperten, dass sich dort für Unternehmen trotz aller Risiken große Chancen eröffnen. Die IHK-Umfrage, an der sich 204 Firmen beteiligten, bestätigt diese Einschätzung. Nur 13 Prozent der Unternehmer befürchten durch die EU-Osterweiterung eher negative Auswirkungen auf ihre Geschäftsentwicklung, insbesondere hervorgerufen durch den stärkeren Wettbewerbs- und Preisdruck in Deutschland.

Schon vor 2004 stark engagiert
Acht von zehn Unternehmern geben an, schon vor der EU-Erweiterung Geschäftsbeziehungen zu den damaligen Beitrittsländern unterhalten zu haben. Die wichtigsten Vorteile der Osterweiterung sehen diese Unternehmen im Wegfall der verbliebenen Handelsbeschränkungen und der Senkung der so genannten Transaktionskosten, also der Kosten, die z.B. durch Wartezeiten an den Grenzen oder durch die innerbetriebliche Bearbeitung von Zolldokumenten entstehen. Einheitliche Normen und Standards sowie erhöhte Rechtssicherheit werden von einem Drittel der Unternehmer als positive Folgen der Erweiterung angeführt. Aus Sicht der meisten Exporteure ist die EU-Erweiterung eine „runde“ Sache geworden: Mehr als drei Viertel der Unternehmen stellen fest, keine wesentlichen Hemmnisse bei ihren Geschäftsbeziehungen mehr anzutreffen.

Die Zahlen der IHK stützen das Umfrage-Ergebnis, wonach die mittelfränkische Wirtschaft schon lange vor der offiziellen Osterweiterung im vergangenen Jahr intensive Kontakte mit den Partnerländern unterhielt: Von den 2 500 mittelfränkischen Außenhandelsunternehmen sind weit über 1 000 in Mittel- und Osteuropa aktiv. Das ist ein Fünftel mehr als zu Beginn der 90er Jahre, der Zuwachs liegt damit im Vergleich der Weltregionen am höchsten. Dass die EU-Osterweiterung von den Firmen in der Praxis vorweggenommen wurde, liegt u.a. daran, dass schon vor dem 1. Mai 2004 ca. 95 Prozent des EU-Außenhandels mit den Beitrittskandidaten frei war.

Kein „Verlagerungs-Boom“
Im Brennpunkt der öffentlichen Diskussion um die Osterweiterung steht das Thema „Verlagerung von Betriebsstätten“. Die IHK-Umfrage lässt allerdings keinen „Verlagerungs-Boom“ aus Mittelfranken in die Beitrittsländer erkennen. Lediglich jeder Zehnte hat verlagert bzw. plant seit dem 1. Mai 2004 dort eine Investition oder gar Produktion. Dies lässt sich auch insofern nachvollziehen, als der Höhepunkt der deutschen Direktinvestitionen in Mitteleuropa mit den großen Privatisierungen in Ungarn, Tschechien oder Polen überschritten war.

Mehr als verdoppelt hat sich innerhalb von zehn Jahren das dauerhafte Engagement in den Beitrittsländern: 300 Niederlassungen, Tochtergesellschaften und andere langfristige Formen der Präsenz unterhalten mittelfränkische Unternehmen dort bereits. Bemerkenswert ist dies nicht zuletzt deshalb, weil die Beitrittsstaaten von der EU keine zusätzlichen Vergünstigungen erhalten haben, um Investoren anzuziehen.

Arbeitskräfte
Die mit der Erweiterung eingetretene (Arbeitnehmer-)Freizügigkeit spielt für die mittelfränkischen Unternehmen offenbar keine große Rolle. So sieht mehr als die Hälfte der Umfrageteilnehmer derzeit keinen Grund, Arbeitnehmer aus den neuen EU-Mitgliedstaaten einzustellen. 30 Prozent würden dagegen gerne das länderspezifische Know-how (z.B. Sprache) solcher Mitarbeiter auch am heimischen Standort nutzen. Weitere 20 Prozent würden gerne Osteuropäer beschäftigen, um ihre Lohnkosten am Standort zu senken.

Die IHK betrachtet die Online-Umfrage als Momentaufnahme zur Osterweiterung. Sie unterstreiche aber, dass Mittelfranken das Prädikat „Gateway to Eastern Europe“ angesichts enger Verflechtungen mit Mittelost- und Osteuropa zurecht trägt. Die IHK hat in den letzten zehn Jahren über 100 Osteuropa-Veranstaltungen organisiert, um Unternehmen bei Geschäften zu unterstützen.

„Südosteuropa-Forum“ am 21. Juli 2005
Erleichtert werden die Aktivitäten in den neuen Mitgliedsländern durch Förderprogramme der Bayerischen Staatsregierung. So wird mit deren Unterstützung am Donnerstag, 21. Juli 2005 in Nürnberg das „Südosteuropa-Forum Bayern 2005“ unter dem Motto „Stabilität baut Brücken“ stattfinden. Dieses Forum bietet u.a. Gelegenheit, sich umfassend mit den Ländern zu beschäftigen, die möglicherweise bei der nächsten Runde der EU-Erweiterung dabei sind.

ph.
 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 05|2005, Seite 34

 
Device Index

Alle Ansprechpartner/innen auf einen Blick