Bei Fachkräften groß rauskommen
Social Media, Online-Werbung oder Bewerbungs-Tools: Wer digital agiert, macht auch als kleiner Betrieb Talente auf sich aufmerksam.


Beim Wettbewerb um Fachkräfte sind kleine und mittlere Unternehmen besonders gefordert. Doch auch wenn sie öffentlich nicht so bekannt sind, haben sie zahlreiche Möglichkeiten, Bewerber auf sich aufmerksam zu machen. Das zeigte das Webinar „Online-Marketing als Schlüssel zum digitalen Recruiting“ der bayerischen IHKs.
Webseite, Videos und Online-Marketing: Die mittelständischen Unternehmen müssen auch deswegen ihr Personal-Marketing verstärken, weil es eine „Machtverschiebung auf dem Arbeitsmarkt“ gibt. Das sagte Gregor Faltin, Leiter Training bei der Nürnberger Sellwerk GmbH & Co. KG. Qualifizierte Bewerber seien heute angesichts des Fachkräftemangels keine Bittsteller mehr, sondern Entscheider. Um sich im digitalen Raum attraktiv zu präsentieren, sei zunächst eine authentische Präsentation wichtig – und zwar schon beim Web-Auftritt: Der dürfe nicht nur auf die Kunden ausgerichtet sein, sondern müsse auch potenzielle Bewerber ansprechen. Die Homepage muss die Stärken des Unternehmens widerspiegeln, darunter auch Aspekte wie gutes Arbeitsklima oder besondere Leistungen für Mitarbeiter. Firmenvideos auf der Homepage sind ein gutes Medium, um diese Aspekte zu vermitteln. Und auch die Benutzerfreundlichkeit muss passen, um bei Bewerbern nicht gleich Skepsis hervorzurufen: So muss die Website beispielsweise gut auf dem Smartphone funktionieren und man sollte sich auch mobil bewerben können. Außerdem sollten die Personalchefs die sogenannten Passiv-Suchenden im Blick haben: Das sind Personen, die noch bei einem anderen Arbeitgeber beschäftigt und gar nicht aktiv auf Suche sind.
zielgenaues Advertising: Wenn sich ein Betrieb klar und sichtbar als attraktiver Arbeitgeber positioniert, kann er auch leichter die digitale Reichweite vergrößern. Das lässt sich etwa über das sogenannte Programmatic Job Advertising (Programmatische Job-Werbung) erreichen, das sich an das Online-Marketing anlehnt. Darunter versteht man die vollautomatisierte Ausspielung von Bannern auf Werbeflächen in Echtzeit. Hier analysieren intelligente Algorithmen Nutzerdaten einzelner Job-Portale, um für Online-Stellenanzeigen die richtigen Zielgruppen zu identifizieren. Weil Bewerber überwiegend mobil nach einer neuen Stelle suchen, empfiehlt Faltin einen Bewerbungsprozess, der für mobile Endgeräte optimiert ist. So lassen sich etwa auch Anfragen per WhatsApp bedienen oder Anfragen direkt auf eine spezielle Landingpage leiten. Im besten Fall finden neue Mitarbeiter über eine mobile Stellenanzeige direkt ihren Ansprechpartner, ein ansprechendes Arbeitgeberprofil und einen schnellen digitalen Bewerbungsprozess.
Künstliche Intelligenz (KI) kann für kleine und mittlere Betriebe auch beim Recruiting hilfreich sein, so Andrew Riede und Florian Strauß, Geschäftsführer der Fürther Ironrocket GmbH. Die Unternehmensberatung unterstützt dabei, KI für Prozessautomatisierung oder Mitarbeiterschulung einzusetzen. Mit einer KI-Telefonie-Assistenz lässt sich auch die Bewertung von Bewerbern erheblich verschlanken: Sie kann rund um die Uhr Fragen von Interessenten beantworten, Daten erfassen oder automatisiert Rückrufe durchführen und Erstgespräche führen. Riede berichtet von einem Fall, bei dem durch KI-gestütztes Recruiting für ein bestimmtes Kundenprofil über 2 000 Bewerber vorqualifiziert wurden. Beispiel: Bei der Suche nach einem Gabelstaplerfahrer kann vorsortiert werden, welche Bewerber schon im Besitz einer entsprechenden Fahrerlaubnis sind. Der KI-Agent Addy von Ironrocket kann auch automatisiert Kampagnen für die Google-Werbung erstellen und strukturieren. Die KI wertet hierfür konkrete Keywords aus und erstellt entsprechende Anzeigentexte. Die Zielgenauigkeit für bestimmte Bewerberprofile wird laufend überprüft und sorgt somit für weniger Streuverlust und bessere Eingrenzung geeigneter Bewerber.
Social Media: Die Ansbacher Ihr&Wir UG wirbt für ein strategisches Vorgehen, um neue Azubis und Fachkräfte über Social Media zu gewinnen. Wichtige Voraussetzung ist, dass sich das Unternehmen schon als attraktiver Arbeitgeber über Social Media präsentiert. So bekommen aktive oder passive Interessenten authentische Einblicke in den Betrieb und dessen Unternehmenskultur. Außerdem ließen sich langfristige Beziehungen zu potenziellen Bewerbern aufbauen, so Gründer Luis Weiherer. Bei bezahlter Werbung auf Facebook, Instagram oder anderen Kanälen spricht er von Social Recruiting. Sie zeichne sich durch eine planbare Reichweite aus und lasse sich zielgruppengenau nach Alter, Region, Interessen usw. steuern. Mit dieser Strategie habe Ihr&Wir in zwei Monaten mehr als 100 Bewerbungen für eine schwer besetzbare Azubi-Stelle generiert und letztlich zwei passende Azubis gefunden. Wichtig dabei sei eine möglichst einfache Bewerberseite, die die Interessenten vorqualifiziert. Dann sollte die Personalabteilung in weniger als 24 Stunden den Prozess persönlich übernehmen, ein Termin könnte automatisiert vereinbart werden.
digitale Tools für das Personalwesen: Ein digitales Recruiting verlangt ab dem Erstkontakt auch die entsprechenden internen Prozesse, hob Jaqueline Schulien von der Nürnberger Unternehmensgruppe Lorenz Personal hervor. Die Beraterin plädierte für ein zentrales Tool für alle Vorgänge rund um Personalangelegenheiten, das eine klare Aufgabenverteilung sicherstellt und den gesamten Einstellungsprozess umfasst – vom ersten Klick der Bewerber auf eine Anzeige bis zur innerbetrieblichen Talentförderung. Laut Schulien ist auch ein digitales Onboarding zu empfehlen, denn mit einem unterschriebenen Arbeitsvertrag sei die Personalgewinnung noch nicht abgeschlossen. Ein digitales Personal-Tool kann u. a. folgende Etappen bei Einstellung und Einarbeitung abdecken: Einarbeitungsplan steuern, Kontakte zu Führungskräften herstellen, neues Team kennenlernen, Services von IT-Abteilung und Fuhrparkmanager bekanntmachen oder auf Weiterbildungsangebote hinweisen.
Autor: Thomas Tjiang
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