Zum Hauptinhalt springen

IHK-Netzwerk International nennt sich ein neues Veranstaltungsformat der IHK Nürnberg für Mittelfranken. Der Ablauf: Zunächst berichtet ein Experte über eine bestimmte Region oder ein außenwirtschaftliches Thema. Daran schließen sich eine Diskussionsrunde und ein Imbiss an, bei dem sich die Teilnehmer kennenlernen und Erfahrungen aus der Praxis austauschen können. Beim ersten „IHK-Netzwerk International“ stand vor Kurzem Lateinamerika im Mittelpunkt.

Pamela Valdivia, Bayerische Repräsentantin für Südamerika, skizzierte wirtschaftliche Möglichkeiten und Herausforderungen auf dem Kontinent. Die Repräsentantin, die ihr Büro bei der Deutsch-Chilenischen Auslandshandelskammer (AHK) in Santiago de Chile hat, ist für die fünf Länder Argentinien, Chile, Kolumbien, Peru und Uruguay zuständig.

wachstumsstarke Branchen: Rund 650 Mio. Einwohner, davon ein Großteil jung und überwiegend in städtischen Gebieten lebend – so fasste Valdivia die Bevölkerungsstruktur des Kontinents zusammen. Diese Verstädterung sei im weltweiten Vergleich überdurchschnittlich hoch, wodurch sich eine hohe Nachfrage in Bereichen wie Infrastruktur, Mobilität, Digitalisierung und Dienstleistungen ergebe. Trotz großer sozialer Gegensätze gebe es eine beträchtliche Mittelschicht, die konsumorientiert und digital vernetzt sei.

Die Start-up- und Tech-Szene in den Bevölkerungszentren der fünf genannten Länder wächst nach Beobachtung Valdivias rasant. Sektoren wie Fintech, E-Commerce, Landwirtschaft und IT bieten Chancen für Digitalisierung, Automatisierung und „intelligente“ Produktion. Deutsche Unternehmen seien mit ihren Produkten sowie als technologische Impulsgeber und Know-how-Lieferanten sehr gefragt. Zahlreiche Länder haben zudem große Fortschritte bei der Umstellung auf regenerative Energien gemacht und werden weiter intensiv in umweltfreundliche Technologien investieren. Weil der Kontinent reich an strategisch wichtigen Rohstoffen ist (z. B. Lithium, Kupfer), die für Digitalisierung, Energiewende und E-Mobilität unverzichtbar sind, gewinnt er stark an geopolitischer Bedeutung. Deshalb steht die EU in starker Konkurrenz etwa zu China, das sich intensiv in Lateinamerika engagiert.

wirtschaftliche Integration des Kontinents: Die Zusammenarbeit der lateinamerikanischen Länder schreitet seit Jahren stetig voran: Es wurden zahlreiche regionale Freihandelsabkommen abgeschlossen, um den wirtschaftlichen Austausch auf dem Kontinent voranzubringen. Diese Abkommen schaffen neue Möglichkeiten beim Warenverkehr, erleichtern Dokumentationspflichten und bieten attraktive Investitions- und Marktchancen für europäische Firmen. Große Erwartungen werden in Südamerika in das Mercosur-Abkommen mit der EU gesetzt, das nach jahrzehntelangen Verhandlungen nun offensichtlich kurz vor dem Abschluss steht.

große regionale Unterschiede: Viele europäische Firmen machen nach Erfahrung Valdivias den Fehler, alle lateinamerikanischen Länder mehr oder weniger gleich zu behandeln. Aber es gebe große kulturelle, rechtliche und auch sprachliche Unterschiede in den spanischsprachigen Ländern. Noch größer seien die kulturellen Unterschiede zu Brasilien. Es sei deshalb davon abzuraten, den großen brasilianischen Markt von einem Standort in einem anderen (spanischsprachigen) Land zu bearbeiten. Unterschätzt werden oft auch die Herausforderungen bei der Logistik: Die großen Entfernungen, die geografischen Gegebenheiten und die oft unzureichende Verkehrsinfrastruktur erfordern sorgfältige Planung. Als Mangel wird von deutschen Firmen oft gesehen, dass es kein so differenziertes Messewesen mit Fachmessen wie in Europa gibt. Um neue Kontakte zu knüpfen, eignen sich nach den Worten Valdivias vor allem die großen Bergbaumessen, bei denen alle wichtigen Unternehmen vertreten sind. Dort zeigen die Konsortien nicht nur Interesse an branchenspezifischen Produkten und Dienstleistungen, sondern auch an Angeboten aus anderen Bereichen wie Straßenbau oder Gesundheitsversorgung.

kulturelle Faktoren: Spanisch- bzw. Portugiesisch-Kenntnisse seien in der Regel unverzichtbar, Englisch reiche meist nicht aus, sagte Pamela Valdivia. Insgesamt sei es anzuraten, lokale Partner und Experten einzubinden, um erfolgreich zu sein. Außerdem beruhe die Geschäftskultur in Lateinamerika stark auf Beziehungen. Wichtige Aspekte für langfristige geschäftliche Beziehungen seien deshalb persönliche Kontakte und Vertrauensbildung. Für informelle Treffen und gemeinsame Mahlzeiten sollte deshalb ausreichend Zeit eingeplant werden.

Webcode: N1886