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Gegen Werteverlust und Ziellosigkeit

Führungskräfte aus Wirtschaft, Kirchen, Politik und Verwaltung begaben sich vom 20 bis 22. Januar 2005 in Nürnberg auf die Suche nach Orientierung in der angespannten Wirtschaftslage. Als 1999 der erste Kongress christlicher Führungskräfte in Stuttgart stattfand, kamen 1 200 Menschen zusammen. Beim diesjährigen Kongress unter dem Titel „Mit Werten in Führung gehen“ waren schon 2 500 Teilnehmer registriert, rund 60 Prozent von ihnen Mitglieder einer evangelischen Landeskirche, rund zehn Prozent katholischen Glaubens, die restlichen Teilnehmer sind zumeist in evangelischen Freikirchen aktiv.

„In unserer Gesellschaft ist es zu einem beklagenswerten Wertewandel, in vielen Fällen sogar zu einem Werteverlust gekommen“, monierte Horst Marquardt, Vorsitzender der veranstaltenden Evangelischen Nachrichtenagentur idea e.V., und traf mit dieser Einschätzung die Stimmungslage und Meinung der meisten Teilnehmer. Unternehmer und Manager haben in unserer Gesellschaft Imageprobleme. Und die Bevölkerung reagiert enttäuscht und ratlos. Gier, so Dr. Siegfried Buchholz, Management-Trainer und vorher Österreich-Chef des Chemiekonzerns BASF, sei zum Hauptmotor unserer Gesellschaft geworden. „Aber Gier und Geiz sind eben nicht geil.“ Längst würden Manager, die bei ihrem täglichen Wettlauf um noch höhere Gewinne die Orientierung verloren hätten, nach Werten suchen.

„Deutschland muss sich also verändern. Aber wir sollten uns dabei auch unserer kulturellen und religiösen Wurzeln bewusst sein. Wie schaffen wir es, das abstrakte Wort ,Werte‘ aus Politikerreden in Alltagsgespräche und Alltagsverhalten zu bringen und so lebendig zu machen?“, hatte vor einigen Wochen Bundespräsident Horst Köhler gefragt. Das Volk ist in seinem Glauben an Führungskräfte und Eliten längst misstrauisch geworden. Nach einer Umfrage des „Wall Street Journal“ meinen mittlerweile 83 Prozent der Europäer, dass Manager nur ihre eigenen Interessen verfolgen. Ihr Vertrauen in die Wirtschaft, aber auch in die Politik und in andere gesellschaftliche Gruppen ist geschwunden.

Die Forderung „Neue Manager braucht das Land“ hält der Schweizer Unternehmensberater Thomas Giudici allerdings für „ungerecht und naiv“. Ohne einen Paradigmenwechsel bei ethischen Fragen ist nach seinen Aussagen auch ein Richtungswechsel innerhalb der Wirtschaft kaum möglich – aber notwendig. „Die von Adam Smith eingeführte unsichtbare Hand, die alles automatisch zum Wohle aller regelt, gibt es tatsächlich, und sie gehört jemandem: Mammon“, mahnt der ehemalige Finanzberater. „Die Folge: die Armen werden, auch in unseren Breitengraden, immer ärmer und viele reiche Menschen zersorgen sich, sind ausgebrannt und sterben früh an einem Herzinfarkt.“

Während des Kongresses wurde deutlich, an welchen Werten sich Führungskräfte in Wirtschaft und Verwaltung künftig ausrichten sollten, um der Gesellschaft wieder Halt zu geben. Christliche Werte wie Güte und Barmherzigkeit forderte der bayerische Landesbischof Dr. Johannes Friedrich, und Managementberater Buchholz wünscht sich von gläubigen Chefs vor allem Verantwortungsbewusstsein und Ehrlichkeit. „Das Verhalten guter Manager muss vorhersagbar sein, sie müssen sich also auf Werte festlegen und diese auch leben. Und sie sollten bereit sein, Erfolge an Mitarbeiter weiter zu geben und Verantwortung, auch für Misserfolge, zu übernehmen.“

Zum Glück, so Marquardt, gibt es auch heute noch „Chefs, auf deren Wort man bauen kann, die ihre Zusagen einhalten und für die ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht nur austauschbare Nummern sind“. Sein hoffnungsvoller Ausblick: „Im ganzen Land gibt es Menschen, die beweisen, dass der Ehrliche durchaus nicht der Dumme ist.“ Selbstverständlich, so die CDU-Bundestagsabgeordnete Marie-Luise Dött, Vorsitzende des Bundes Katholischer Unternehmer (BKU), müssten auch christliche Unternehmer Gewinn erwirtschaften und im Markt bestehen, aber nach ihrer Auffassung können Manager und Chefs den Spagat zwischen Glauben und Gewinnmaximierung durchaus bewältigen.

Auf eine praktische Formel bringt es Bayerns Innenminister Dr. Günther Beckstein, der ebenfalls an dem Kongress teilnahm: „Unsere Gesellschaft braucht engagierte Christen. Sie braucht keine Moralisierer und Belehrer, sondern Christen, die mit ihrer Wertorientierung überzeugen, ihren Mitmenschen gegenüber Hilfsbereitschaft zeigen, sich ehrenamtlich engagieren und die Nöte und Aufgaben unserer Zeit tatkräftig angehen.“

hpw.
 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 02|2005, Seite 35

 
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