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1 000 Stühle Gernot-M. Steifensand

Erfolg im Sitzen

Über das gesunde Sitzen ist alles gesagt? Weit gefehlt, sagt Bürodrehstuhl-Fabrikant Gernot-M. Steifensand. Sein in Wendelstein ansässiges Unternehmen „1 000 Stühle“ ist für Überraschungen gut – zuletzt im Jahr 2004, als die neue Männerstuhl-Linie „Mister Sitwell“ mit eingebauter Hodenkühlung frischen Wind auf den Markt der normierten Bürodrehstühle brachte. Das passende Gegenstück, die Kollektion „Lady Sitwell“ mit einer Venen schonenden Sitzauflage speziell für Frauen, gibt es schon einige Jahre länger.

Doch dem 40-jährigen Firmenchef, der das Unternehmen vor zehn Jahren gründete, wurde das Geschäft regelrecht in die Wiege gelegt: Schon die Eltern hatten eine Stuhlfabrik betrieben. „Die Erfindung des bandscheibengerechten Gesundheitsdrehstuhls war für meinen Vater wie ein Sechser im Lotto“, so Steifensand. 1993 verkaufte der Senior sein Unternehmen, für das zu Spitzenzeiten 180 Beschäftigte arbeiteten. Die Investoren hatten jedoch nicht die glückliche Hand des Firmengründers; sie mussten das Unternehmen ein paar Jahre später schließen.

„Ich nehme das sportlich“, betont Steifensand. Von seinem Büro aus hat er das ehemalige Firmengelände des Vaters, auf der anderen Straßenseite im Gewerbegebiet von Wendelstein gelegen, direkt im Blick. Anfang der 90er Jahre, als er dort eine Art Trainee-Programm durchlief, träumte er noch von einem Leben ohne Stühle. Das hat sich inzwischen geändert. Heute profitiert er von seinen früheren Erfahrungen: „Ich könnte sogar selbst polstern, wenn Not am Mann ist“, erklärt der Unternehmer. Nun will er beweisen, dass sich der Erfolg wiederholen lässt, „wenn auch nicht in der Dimension wie zu den goldenen Zeiten“.

Bei „1 000 Stühle“ stellen derzeit 25 Mitarbeiter täglich rund 150 Stühle auf die Rollen. 1997 hatte Steifensand mit gerade einmal drei Leuten angefangen. Die Stückzahl stieg von anfänglich gerade einmal 200 Stühlen auf mehr als 40 000 im vergangenen Jahr. 2006 betrug der Umsatz rund vier Mio. Euro.

Der Markt sei hart umkämpft, erläutert Steifensand. Selbst billige Bürodrehstühle entsprächen zumindest der DIN-Norm für Arbeitsplatz-Stühle, dennoch seien die Qualitätsunterschiede groß. Bei Steifensand wird etwa streng darauf geachtet, dass die verbauten Teile möglichst von Zulieferern aus der Metropolregion stammen: Gasdruckfedern aus Altdorf, Kunststoffteile aus Schwabach, Mechanik aus Wendelstein, Stoffe aus Kulmbach, Alu-Drehkreuze aus Postbauer-Heng. Zugeschnitten, gepolstert und montiert wird ausschließlich in Wendelstein. „Der handwerkliche Anteil ist hoch. Wir sind kein Lohnveredelungsbetrieb, der sich darauf beschränkt, aus Asien importierte Einzelteile zusammenzuschrauben.“ Die Produktionszeit für einen Stuhl betrage im Schnitt 45 Minuten.

Bewegtes Sitzen
„Ein Stuhl ist eigentlich unspektakulär. Jeder weiß, dass Sitzen krank machen kann und Bewegung gesund ist“, so Steifensand. Deshalb wurde das Bürostuhlprogramm in Zusammenarbeit mit dem Bundesinstitut für Sportwissenschaften in Bonn erarbeitet. So sei es gelungen, „Bewegungselemente in die Sitzsysteme zu integrieren“ und das körpergerechte Sitzen zu forcieren. Und natürlich den geschlechtsspezifischen Unterschieden gerecht zu werden, denn Frauen seien nun mal anders gebaut als Männer.

„Früher“, sagt Steifensand, „saßen alle auf dem gleichen Stuhl.“ Jetzt gebe es für leichte, zierliche Personen oder für Kinder mit gerade einmal 1,45 Metern Körpergröße und 45 Kilogramm Gewicht andere Stühle als für groß gewachsene Männer jenseits der 100-Kilo-Grenze. „Mass customization – kundenindividuelle Massenproduktion“ laute das Zauber- wort, das ähnlich wie beim Auto verschiedene Ausstattungs- und Designkombinationen ermögliche. Derzeit gebe es rund 60 verschiedene Modelle und mehr als 2 000 Varianten – vom Arbeitsstuhl aus Plastik bis zum Chefsessel aus edlem Leder.

Vor allem Frauen seien es, die häufig über „Sitzstress“ klagten: Zu weiche Polster würden Krämpfe und Schmerzattacken auslösen, die Muskeln sich verkrampfen, die Füße einschlafen, Kopfschmerzen entstehen. Dagegen setzt Steifensand Polster mit eingearbeitetem Taschenfederkern und einer extra weichen Vorderkante: „Dann haben Frauen nie wieder kalte Füße“, beteuert er. Das Versprechen kommt an: „Frauen unter den Einkäufern kaufen den Frauenstuhl.“ Die Linie „Lady Sitwell“ trage rund 30 Prozent zum Umsatz bei, auf „Mr. Sitwell“ entfielen etwa 20 Prozent. Obwohl die Belüftungsritze nicht nur den Hoden kühle, sondern gleichzeitig auch den Sitzdruck von der Vorsteherdrüse, der Prostata, nehme, sei das Gesundheitsbewusstsein der Männer noch nicht so stark ausgeprägt, meint Steifensand.

Rund 200 Fachhändler bundesweit haben „1 000-Stühle“ im Angebot. Auf Stühlen aus Wendelstein sitzen beispielsweise Finanzbeamte und Verwaltungsmitarbeiter im Freistaat – ein Rahmenvertrag mit dem Bayerischen Finanzministerium und dem bayerischen Städte- und Gemeindetag mache dies möglich. Zu den Kunden gehöre auch die Edeka, die regelmäßig Stühle für die Mitarbeiter an den Kassen ordert.

Autor/in: 
mei.
 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 03|2007, Seite 46

 
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