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Access

Mitten im Arbeitsleben

Psyma Belegschaft © Psyma

Voll integriert: Tiago Graf (vordere Reihe rechts) mit seinen Kollegen der Psyma Group AG in Rückersdorf.

Mit großem Erfolg integriert die Erlanger Access GmbH behinderte Menschen in die Arbeitswelt.

Tiago Graf hat das Down-Syndrom und arbeitet als Bürohelfer bei einem Marktforschungsunternehmen in Rückersdorf. Carina S. sitzt wegen einer Querschnittslähmung im Rollstuhl und ist für die Arztsekretariate einer Klinik tätig. Lisa A. mit dem Williams-Beuren-Syndrom wirkt als Therapieassistentin in einem Reha-Zentrum. Und Florian S., der eine Tetraspastik hat, ist Mitglied eines dreiköpfigen IT-Teams im Nürnberger Land. Geschafft haben sie das mit Hilfe der Erlanger Integrationsbegleitung Access – einer gemeinnützigen GmbH, die in diesem Jahr ihr 20-jähriges Jubiläum feiert. Dies sind nur vier von über 500 Menschen mit Handicap und besonderem Unterstützungsbedarf, die von Access (auf deutsch „Zugang“) in den Arbeitsmarkt vermittelt und dort langfristig integriert wurden.

Drei Gesellschafter hatten die „Access Integrationsbegleitung Menschen mit Behinderung im Arbeitsleben gemeinnützige GmbH“ – so der vollständige Name – am 1. Juli 1998 aus der Taufe gehoben: der Freundeskreis des Wichernhauses in Altdorf, der Verein zur Integration behinderter Menschen „Gemeinsam leben – Gemeinsam lernen“ im Nürnberger Land und das Erlanger „Zentrum für selbstbestimmtes Leben“.

Heute haben die Projekte weitaus größere Dimensionen als in der schwierigen Anfangszeit. So fließen z. B. noch bis März 2018 Fördergelder des Bundes in das Projekt „Zusammenarbeit – Inklusion in eine gemeinsame Arbeitswelt“ (Zusa), das innerhalb von drei Jahren mit 1,6 Mio. Euro gefördert wurde. Über „Zusa“ wurden in dieser Zeit im Projektgebiet, das die Stadt Erlangen und den Landkreis Erlangen-Höchstadt umfasst, über 190 Menschen mit Schwerbehinderung erreicht, die Arbeitslosengeld II beziehen. Durch Qualifizierung und intensive Begleitung konnten bereits über 50 von ihnen in eine Beschäftigung gebracht werden.

Dazu waren, auch mit Unterstützung der IHK-Geschäftsstelle Erlangen, rund 900 potenzielle Arbeitgeber kontaktiert worden mit der Bitte, Praktikumsplätze zur Verfügung zu stellen. Vor jedem Praktikum standen eine dreimonatige Trainingsphase durch professionelle Access-Inklusionsbegleiter sowie eine Probearbeit, die von einem Coach begleitet wurde und die in den Integrations- und Sozialbetrieben bzw. in den Werkstätten für Menschen mit Behinderung der beteiligten Partner stattfand (Laufer Mühle, Regnitz-Werkstätten, Lebenshilfe, Wabe und WAB Kosbach).

Auf Spenden angewiesen

Dass die Inklusion in so vielen Fällen gelingt, ist das Verdienst der Access-Geschäftsführer Karl-Heinz Miederer und Andrea Seeger sowie ihrer 51 Mitarbeiter, von denen 30 Prozent ebenfalls Schwerbehinderte sind. An den drei Standorten in Erlangen, Nürnberg und Bamberg, wo Firmen tageweise auch Räume für Seminare und andere Veranstaltungen anmieten können, wurde im vergangenen Jahr ein Umsatz von etwa zwei Mio. Euro erzielt. Unter dem Strich bleiben jährlich zwischen 10 000 und 50 000 Euro als Gewinn. „Unser Ziel ist jedes Jahr, die schwarze Null zu erreichen“, so Miederer. Angesichts dieser schmalen Zone sei man weiterhin auf Spenden angewiesen, die Spendenkonten seien auf der Access-Homepage abrufbar.

Der schwerstbehinderte Karl-Heinz Miederer, der im Jahr 2013 als „Vorreiter auf dem Gebiet der unterstützten Beschäftigung“ mit dem Bundesverdienstkreuz geehrt wurde, zeigt sich aufgrund der gemachten Erfahrungen überzeugt davon, dass der Personalmangel in zahlreichen Bereichen durch die Einstellung von Behinderten gelindert werden könne. Dies gelte insbesondere für einfache Tätigkeiten in Gesundheit und Pflege sowie Hotellerie und Gastronomie. Viele seiner „Klienten“ seien überaus motiviert und identifizierten sich in besonderem Maße mit den Unternehmen, die ihnen eine Chance geben. Erstaunlich sei auch, wie sich die Teambildung in den Betrieben verbessere, wenn behinderte Mitarbeiter eingebunden werden. Zudem könnten sie die Fachkräfte entlasten und ihnen dadurch neue Freiräume geben.

Das beweist beispielsweise Tiago Graf, der bei der Psyma Group AG in Rückersdorf einen unbefristeten Arbeitsvertrag bekommen hat. Der junge Mann mit Trisomie 21 ist dort als Bürohelfer tätig, er öffnet u. a. die Post, scannt Rechnungen, verpackt Geschenke oder kümmert sich um die Vernichtung von nicht mehr benötigten Akten. Er hatte bei dem Marktforschungsunternehmen zunächst zwei Praktika von jeweils sechs Monaten absolviert und bekam dann einen festen Arbeitsplatz. Die Psyma Group erhält vom Integrationsamt einen Zuschuss für sein Gehalt, in regelmäßigen Abständen kommt die Betreuerin von Access vorbei und unterstützt je nach Bedarf.

Über die Zeit hat sich herauskristallisiert, welche Tätigkeiten Tiago Graf gut übernehmen kann und bei welchen er an Grenzen stößt. Er braucht klare Strukturen und die Anweisungen kommen idealerweise von nur einer vertrauten Person. In diesem Fall ist dies Elke Böckl, die seine Hauptansprechpartnerin bei Psyma ist. „Er braucht viele Erklärungen, warum und weshalb er etwas machen soll. Dann macht er es gerne“, beschreibt sie ihre Zusammenarbeit. Psyma-Personalleiterin Anne Morris rät, Inklusion einfach auszuprobieren, die Menschen ernst zu nehmen, nicht gleich aufzugeben, aber auch den Mut zu haben, „nein“ zu sagen. Elke Böckl ergänzt, dass die Kollegen Tiago Graf in ihr Herz geschlossen hätten: „Mit seinem sympathischen Auftreten gehört er ganz selbstverständlich dazu.“

Eine weitere Erfolgsgeschichte kann die IHK Nürnberg für Mittelfranken als Arbeitgeber berichten: Ralf Z. wurde durch die Vermittlung von Access Anfang 2012 im Rahmen eines begleiteten Praktikums als Helfer im Bereich Büro, Haustechnik und Poststelle eingesetzt. Nach den positiven Erfahrungen des Praktikums erhielt er zunächst einen befristeten und schließlich einen unbefristeten Vertrag über 30 Stunden pro Woche. Dank der guten Begleitung durch Access fand er sich sehr gut in das Team bei der IHK ein und packt seine Aufgaben tatkräftig und voller Freude an. Die gute fachliche und persönliche Betreuung durch seinen Vorgesetzten erleichterte ihm den Weg in die Berufstätigkeit.

Hilfe für ein selbstbestimmtes Leben

„Wir schauen auf die Ressourcen von Menschen mit Behinderung sowie auf die Anforderungen in den Betrieben und suchen nach Spielräumen.“ So beschreibt Geschäftsführerin Andrea Seeger die Aufgaben von Access. Die Access gGmbH, die derzeit rund 370 Kunden betreut, verstehe sich als Dienstleister für Schulen, Werkstätten und Kostenträger. Karl-Heinz Miederer erläutert die Praxis: „Wenn wir behinderte Menschen in Betrieben unterbringen, dann geschieht das in der Regel über ein mehrmonatiges Praktikum, das von unseren Mitarbeitern begleitet wird.“ Der Arbeitgeber habe dafür keine Kosten zu tragen und benötige dafür keine eigenen Mitarbeiter. Zudem gehe er zunächst keinerlei Verpflichtung für eine Weiterbeschäftigung ein. Rund zwei Drittel der Klienten schaffen es letztlich auf diese Weise, einen Job zu bekommen. Die Folge: Sie sind unabhängig von der Sozialhilfe, verdienen ihr eigenes Geld und zahlen Steuern wie ihre nichtbehinderten Kollegen.

Für dieses Engagement wurde Access mehrfach ausgezeichnet, beispielsweise erst kürzlich mit dem 1. Preis beim europaweiten Wettbewerb „Beschäftigung für alle“. Weitere Auszeichnungen waren der Sozialpreis der Bayerischen Landesstiftung, der „Bayerische Miteinander-Preis“ und – zusammen mit dem Partner „Der Beck“ – der „i-award für Integration“, der von der Behindertenbeauftragten der Bundesregierung verliehen wurde.

Unterstützung erhält Access durch den 39-köpfigen Beirat, der prominent besetzt ist. Mitglieder sind u. a. Bayerns Innenminister Joachim Herrmann, MdB Stefan Müller, Sozialgerichts-Präsident Peter Ruthe, die Landräte Armin Kroder (Nürnberger Land) und Alexander Tritthart (Erlangen-Höchstadt), Gisela Niclas (Vorsitzende der SPD-Bezirkstagsfraktion), Nürnbergs Stadtkämmerer Harald Riedel, IHK-Präsident Dirk von Vopelius und Knut Harmsen, Leiter der IHK-Geschäftsstelle Erlangen. Datev-Personalvorstand Jörg Rabe von Pappenheim, der sich ebenfalls im Beirat engagiert, appelliert an seine Kollegen in den mittelfränkischen Unternehmen, sich an der Integration von behinderten Mitarbeitern zu beteiligen: „Vielfalt bringt neue Perspektiven, kann beglücken und ist zugleich eine große gesellschaftliche Herausforderung.“

Autor/in: 

(ug.)

 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 01|2018, Seite 38

 
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