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Nutricia

Astronautenkost im Permafrost

Grönland3.. © Nutricia

Frostig: Abenteurern aus Südtirol stand 1983 bei ihrer fast dreimonatigen Durchquerung von Grönlands Eiswüste nur die „Astronautenkost“ von Pfrimmer, heute Nutricia, zur Verfügung.

Ihre Produkte ernährten schon Grönland-Abenteurer - heute ist die Erlanger Firma auf medizinische Nahrungsmittel spezialisiert.

Drei Südtiroler Bergsteiger starteten 1983 ein waghalsiges, ja lebensgefährliches Abenteuer: Als erste Menschen durchquerten sie, ganz ohne externe Hilfsmittel, das grönländische Inlandeis an seiner breitesten Stelle. 88 Tage lang gab es an der 1 400 Kilometer langen Strecke keinerlei Ansiedlung, kein Versorgungsdepot – nur eine einzige weiße Eiswüste, im Extremfall mit minus 73 Grad Gefrierschrank-Kälte und 300 Stundenkilometern Hurrikan-Windgeschwindigkeit. Sie überlebten, wie fünf Jahre später zwei weitere Bergsteiger-Kollegen, dank ihres einzigen Proviants, den sie dabei hatten: Biosorbin MCT, eine synthetische Nahrung von Pfrimmer, älteren Erlangern bekannt als traditionsreiche einheimische Pharma-Firma. Sie war 1919 von Jacques Pfrimmer in Nürnberg gegründet worden. Nachdem die Fabrikanlage 1943 zerstört wurde, siedelte er das Unternehmen acht Jahre später nach Erlangen um. Das Nachfolgeunternehmen Nutricia, heute im Erlanger Röthelheimpark beheimatet, feiert deshalb in diesem Jahr das 100-jährige Bestehen.

An Pfrimmer, das ursprünglich chirurgisches Nahtmaterial hergestellt hatte, erinnern medizinische Meilensteine: Ein Beispiel ist Tutofusin, das 1925 als erste industriell hergestellte Blutersatzlösung der Welt produziert wurde. Entwickelt wurde sie in Zusammenarbeit mit Prof. Wolfgang Weichardt, dem damaligen Bakteriologen der Erlanger Universität. Unzählige Verwundete des Zweiten Weltkriegs dürften dieser Infusionslösung ihr Leben verdanken. Dann wandte sich Pfrimmer der enteralen Ernährung zu und schuf schließlich 1959 mit Aminofusin eine Nährlösung für Kliniken im In- und Ausland. Darauf wurde die US-amerikanische Weltraumbehörde Nasa aufmerksam und interessierte sich Mitte der 60er Jahre für eine spezielle Trinknahrung, die Reisende im Weltall auf langen Flügen und unter Extrembedingungen mit allen nötigen Nährstoffen versorgen sollte. Es war die Geburtsstunde der sogenannten Astronautenkost.

Grundlage für Sondennahrung

Die Pfrimmer-Entwicklung fand zwar nie Anwendung in der Raumfahrt, denn sie soll wegen des unangenehmen Geschmacks von den Astronauten abgelehnt worden sein. Doch sie schuf die Grundlage für die moderne medizinische Trink- und Sondennahrung. 1969 wurde Vivasorb als erstes Präparat zur Verwendung in der enteralen Ernährung in Deutschland eingesetzt. In Wasser gelöst, lieferte ein Päckchen 300 Kalorien. Heute ist die künstliche Ernährung ein essenzieller Bestandteil, wenn man Patienten erfolgreich behandeln bzw. ihre Therapie möglichst positiv gestalten will, die nicht ausreichend essen können, dürfen oder wollen. Dazu gehören Menschen mit Stoffwechselstörungen oder chronisch entzündlichen Darmerkrankungen, Krebskranke und Pflegebedürftige. Grundsätzlich werden Patienten dem Unternehmen zufolge immer dann enteral ernährt, wenn die normale orale Nahrungsaufnahme nicht oder nur teilweise möglich ist. So leiden etwa 1,5 Mio. Menschen in Deutschland, vor allem Alte und chronisch Kranke, unter einer Mangelernährung. Nutricia liefert hierfür das Gegenmittel. Auch der Raucher-Entwöhnungskaugummi „Nicorette“ entstammt den Labors in Erlangen. 2009 kam die Fortimel Compact Trinknahrung mit der damals höchsten Energiedichte auf den Markt: 2,4 Kilokalorien pro Milliliter. 2018 folgte eine weitere Innovation mit einer Spezialnahrung für Säuglinge mit Kuhmilchprotein-Allergie („Neocate Syneo“).

Pfrimmer ging 1991 mit der holländischen Nutricia-Gruppe zusammen, seit 2007 gehört es zur medizinischen Sparte des Danone-Konzerns, der zuletzt insgesamt 24,7 Mrd. Euro umsetzte und in über 50 Ländern weltweit vertreten ist. Ebenfalls 1991 zog das Unternehmen von der Hofmannstraße nach Tennenlohe, 2011 bezog es dann den aktuellen Standort im Röthelheimpark. Hier arbeiten neben den Geschäftsführern Ulrich Zihla und Steffen Iff etwa 200 der insgesamt 400 Beschäftigten in Deutschland, die zusammen einen Umsatz von 120 Mio. Euro erzielen.

Große Chancen für Ernährungsprodukte

Sie wirken in Erlangen im Vertrieb, aber auch im seit 1986 bestehenden Ernährungsteam mit heute 55 Personen, das gemeinsam mit Angehörigen, Ärzten und Pflegekräften die Patientenversorgung sicherstellt. Es unterstützt alle Beteiligten bei der Erstellung von Ernährungsempfehlungen, erleichtert das Entlassungsmanagement in Kliniken und sichert so einen reibungslosen Übergang in den ambulanten Bereich. Eine halbe Mio. Menschen sind in Deutschland zwingend auf enterale Ernährungsprodukte angewiesen. Die Zahl der Betroffenen steigt weiter an, darauf weist schon die demografische Entwicklung hin. Das wiederum eröffnet dem Unternehmen im Hinblick auf seine wirtschaftliche Zukunft große Chancen.

Im konzerneigenen Forschungszentrum in Utrecht arbeiten mehr als 400 Mitarbeiter, die sich auf die Therapiefelder Onkologie, Gebrechlichkeit, Schlaganfall, Intensivmedizin, Alzheimer und Kinderheilkunde mit Gedeihstörung und Epilepsie konzentrieren. Die Nutricia GmbH unterhält darüber hinaus eine eigene Akademie und bietet damit ein breites Seminarangebot für Angehörige entsprechender Fachdisziplinen. Sie lobt seit 2002 jährlich – auch zu Ehren der wissenschaftlichen Arbeit von Werner Fekl, der von 1957 an fast 30 Jahre lang wissenschaftlicher und technischer Leiter von Pfrimmer war – den Förderpreis für Nachwuchswissenschaftler im Bereich klinische Ernährung aus. Der Preis ist mit 5 000 Euro dotiert und wird in Kooperation mit der Deutschen Gesellschaft für Ernährungsmedizin und der Gesellschaft für klinische Ernährung der Schweiz verliehen.

Autor/in: 

(ug.)

 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 10|2019, Seite 84

 
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