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Tempo, Tempo!

Stoppuhr, Hand, roter Hintergrund © Slobo/GettyImages.de

Deutschland muss schneller werden: "10 Tempo-Thesen" der Deutschen Industrie- und Handelskammer.

Krisen scheinen zum Normalzustand zu werden: Corona-Pandemie, russischer Angriffskrieg auf die Ukraine, Inflation und Energiekrise haben auch die Schwachstellen in Politik, Verwaltung und Wirtschaft offengelegt. In den letzten Jahren habe sich gezeigt, dass der Staat vielfach nicht hinreichend handlungsfähig und nicht schnell genug sei, so die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK). Bisher stehe Deutschland für klassische Standortvorteile: verlässliche und transparente Behörden, sichere Energieversorgung, gute Bildung, ausreichende Fachkräfte, gute Verkehrsinfrastruktur. Sie seien bedroht, weshalb schnelles und entschlossenes Handeln notwendig sei, so die DIHK in ihrem Papier "10 Tempo-Thesen: einfacher, schneller und innovativer". Das Motto – vor allem bei Verwaltungsprozessen und Genehmigungsverfahren – müsse lauten "einfach, schnell und innovativ – statt kompliziert, umständlich und widersprüchlich". Die "10 Tempo-Thesen" im Überblick:

"Belastungs-Ballast abwerfen": Die Bundesregierung hat selbst ein "Belastungsmoratorium" für die Wirtschaft verkündet, hält dies laut DIHK aber nicht ein. So sei zum Jahreswechsel erneut eine Reihe neuer Verpflichtungen in Kraft getreten, die sich zusammen mit bisherigen Regularien zu immer größeren Belastungen auftürmen. Den Mut, viele gut gemeinte Vorschriften und Auflagen beherzt zu streichen, würden viele Unternehmer als ersten Befreiungsschlag empfinden. Die DIHK habe hierzu bereits eine Fülle von Vorschlägen unterbreitet.

"Time matters" – Anträge gelten automatisch als genehmigt: Genehmigungsverfahren dauern viel zu lange und sind oft zu umfangreich. Die Behörden könnten sich laut DIHK den wenigen echten Fehlentwicklungen widmen, anstatt viele ordnungsgemäß ablaufende Routinefälle misstrauisch zu prüfen. Vielfach würde ein Anzeigeverfahren völlig ausreichen. Für viele Planfeststellungverfahren, etwa bei Autobahnbrücken oder Bebauungsplänen, fehlten bisher verbindliche Fristen, so die DIHK. Wo sie bestehen (z. B. beim Glasfaserausbau oder bei der Errichtung von Windenergie- oder Industrieanlagen), würden sie häufig nicht eingehalten. Für alle Verwaltungsverfahren sollten verbindliche Start- und Endtermine mit nachvollziehbaren Kriterien festgelegt werden. Eingereichte Anträge, die in diesem Zeitraum durch Versäumnisse der Behörden nicht beschieden werden, sollten dann automatisch als genehmigt gelten.

"Euer Ja sei ein Ja" – einmal zugelassen, nicht mehr neu zu beantragen: Viele Vorhaben werden durch umfangreiche Prüf- und Antragspflichten verzögert, obwohl ihre Auswirkungen längst als sicher ermittelt sind oder ihr Umfang begrenzt ist. Deshalb sollten die Anforderungen an die Genehmigung und Umweltprüfung von Ersatzneubauten erleichtert werden. Beispiel: Bestehende Windenergieanlagen sollten auch dann ohne ein neues aufwändiges Genehmigungsverfahren ersetzt werden können, wenn sie außerhalb eines Windvorranggebietes stehen.

Bei Standardprodukten auf Einzelgenehmigungen verzichten: Für Windräder, Solaranlagen, Mobilfunkmasten und Standardbauten lässt sich laut DIHK einfach ein sehr wirksamer Beschleunigungsturbo zünden. Diese Produkte seien für die Verwendung zuvor bereits mehrfach erfolgreich überprüft worden. Die bislang nötigen Einzelgenehmigungen selbst in eigens dafür vorgesehenen und ebenfalls als geeignet eingestuften Gebieten seien deshalb überflüssig. So könnten im Bundesimmissionsschutzgesetz viele Einzelgenehmigungen entfallen (z. B. bei der Umstellung von Brennstoffen) und Investitionen beschleunigt werden.

Multitasking im Genehmigungsverfahren – früher anfangen und parallel genehmigen: LNG-Terminals und der Notfall-Fuel-Switch konnten 2022 auch deshalb schneller realisiert werden, weil die Anlagen bereits vor der Genehmigung gebaut und sogar betrieben werden durften. Dies sollte für noch mehr wichtige und eilige Vorhaben Schule machen: Statt alle Schritte zur Planung und Genehmigung einzeln abzuarbeiten, könnte schon einmal vorläufig parallel konkret gearbeitet werden (z. B. bei der Sanierung maroder Autobahnbrücken, Industrieanlagen oder Gewerbe- bzw. Wohnungsbauten entsprechend bereits bestehender Bebauungspläne).         

Starre Vorgaben kosten Zeit und gefährden Innovationen: Die nötige Transformation in Energieversorgung, Klimaschutz oder Digitalisierung lässt sich laut DIHK nicht mit starren Vorgaben für die Wirtschaft erreichen. Ein Beispiel: Mit umfangreichen Berichtspflichten im Rahmen der Sustainable-Finance-Strategien von EU-Kommission und Bundesregierung sowie der verschärften Bankenregulierung würden dringend benötigte Investitionen erschwert oder gar verhindert. Es gelte, positive Erfahrungen der Corona-Zeit (z. B. zügige Zulassungsverfahren und schneller Aufbau der Produktionsstätten für Impfstoffe) auf andere vielversprechende Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten zu übertragen. Aber gerade die für ihre Zuverlässigkeit bekannten deutschen Medizintechnik-Unternehmen seien nun aufgrund neuer EU-Vorgaben mit erheblichen Kostenbelastungen und langen Zulassungsverfahren konfrontiert.

Schnellere Verfahren als Teil einer Willkommenskultur: Trotz mancher Erleichterungen bei der Einwanderung von Fachkräften aus dem Ausland seien viele Verfahren immer noch zu kompliziert und zu langwierig. Deshalb sollten z. B. die Visa-Verfahren und die entsprechenden Prozesse in Botschaften, Konsulaten und Behörden im Inland effizienter und durchgehend digital werden.

Schneller werden durch Digitalisierung: Antrags- und Genehmigungsprozesse zwischen Unternehmen und Verwaltungen müssten insgesamt schneller und durchgängig digital abgewickelt werden. Die DIHK fordert dafür erneut ein bundesweit einheitliches Unternehmenskonto für Identifizierung, Authentifizierung und Behördenkommunikation. Unternehmensdaten und Nachweise, die bei den Verwaltungen bereits einmal elektronisch vorliegen, müssten bei neuen Anträgen, Statistiken und Genehmigungen wiederverwendet werden, um den Aufwand in den Betrieben zu reduzieren. Nötig sei deshalb auch eine Modernisierung der amtlichen Register.

Vorhaben tatkräftig ermöglichen anstatt Risiken vermeiden: Die Verwaltung muss laut DIHK stärker Lösungen ermöglichen, statt Verfahren abzuarbeiten. Die Behördenmitarbeiter müssten ermutigt werden, fortschrittliche Lösungen zu finden, statt der Maxime der Risikovermeidung zu folgen. Bisher hätten außerdem verpasste Fristen nur für den säumigen Bürger Folgen, nicht aber für die Behörde.

Schneller und einfacher durch Perspektivwechsel: Die IHK-Organisation stehe bereit, beim dringend erforderlichen Praxis-Check von geplanten Gesetzen und Regelungen mitzuwirken. Denn eine auf dem Papier entwickelte Vorstellung wirke sich im betrieblichen Alltag bisweilen ganz anders aus als gedacht. Als erste Maßnahme wäre es daher sinnvoll, wenigstens bei Stellungnahmen zu Gesetzentwürfen eine angemessene Frist einzuräumen. Die DIHK empfiehlt Praktika von Verwaltungsmitarbeitern in den Betrieben, um deren Perspektive und deren Belastungen mit komplizierten Verfahren besser kennenzulernen. Nach dem Vorbild anderer EU-Länder müsse u.a. das Ziel sein, durch straffe Verfahren die Gründung eines Unternehmens binnen 24 Stunden zu ermöglichen. Zudem schlägt die DIHK vor, die Gewinn- oder Bilanzschwellenwerte für junge Unternehmen anzuheben, damit bestimmte Buchführungs- und Bilanzierungspflichten erst später greifen.

 

Download des vollständigen Thesenpapiers: www.dihk.de (Suchbegriff "Tempo-Thesen")

 

 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 02|2023, Seite 58

 
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