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Energieeffizienz

Wie geht nachhaltige IT?

Elektronische Geräte und digitale Prozesse verbrauchen viel Energie. Ein IHK-Webinar informierte über Einsparpotenziale. Von Thomas Tjiang; Illustration: Anton Atzenhofer

Wer Computer und andere elektronische Geräte benutzt, denkt oft nicht groß an den Energieverbrauch. Aber auf die Digitalisierung entfällt ein immer größerer Teil des Stromverbrauchs, sodass sich Unternehmen und Verbraucher Gedanken über Einsparmöglichkeiten machen sollten. Den wachsenden Energieverbrauch von Bits und Bytes thematisierte deshalb das Webinar „Impulse für mehr Umweltschutz bei der Digitalisierung – Green IT“ der IHK Nürnberg für Mittelfranken. Laut Gastreferentin Marina Köhn von der Beratungsstelle nachhaltige Informations- und Kommunikationstechnik (Green IT) des Umweltbundesamts erreichte in der Corona-Pandemie das Datenvolumen, das über das Festnetz übertragen wurde, stattliche 52 Mrd. Gigabyte. Auch der weltgrößte Internet-Knoten in Frankfurt, DE-CIX, hatte im vergangenen Jahr einen Spitzenwert beim Datendurchsatz von knapp elf Terabit pro Sekunde.

Stromfresser IT und Elektrogeräte

Das rasante Datenwachstum illustrierte Köhn am Beispiel der vernetzten Elektronikgeräte (smarte Geräte) in deutschen Haushalten: Eine Studie des Umweltbundesamtes hatte 2015 für das Jahr 2030 6,3 Mio. Haushalte mit vernetzten Elektronikgeräten prognostiziert. Diese Zahl wurde allerdings schon 2019 erreicht, sodass eine erneute Studie nun für 2030 bereits 22,5 Mio. Haushalte voraussagt. Smart-TV, Smart-Speaker, Spielekonsolen und Saugroboter legen pro Jahr geschätzt um fast 25 Prozent zu. Die Prognose basiert noch aus der Zeit vor Corona, also bevor in den Haushalten etwa durch Videostreaming oder in den Unternehmen durch Home- oder Mobil-Office die Nutzung sprunghaft anstieg. Demnach sorgte das Videostreaming für gut 58 Prozent des Internet-Verkehrs. Mit beträchtlichem Abstand folgten das Social Networking (Anteil von elf Prozent) und das Surfen im Netz (acht Prozent). Online-Marktplätze, Filesharing, Gaming oder Cloud-Computing kamen auf einen Anteil von fünf Prozent oder weniger.

Der Strombedarf für die hierfür nötige, digitale Infrastruktur kommt aus den weltweiten Rechenzentren. Die verbrauchen schon heute mehr Strom als die Endgeräte der Konsumenten oder die Produktion. Stromsparen stehe bei der Planung von Data-Centern zu wenig im Fokus, so Köhn. Außerdem seien viele Data-Center überdimensioniert und hätten daher einen steigenden Leerlauf-Verbrauch. Zudem zeigten Untersuchungen, dass die Rechner in der Praxis nicht innerhalb von vier Jahren in eine effizientere Generation ausgetauscht werden, sondern erst alle sechs Jahre.

In der Branche wird die Energieeffizienz von Rechenzentren gern mit die Kenngröße PUE (Power Usage Effectivness) angegeben. Sie setzt aber laut Köhn nur den gesamten Energiebedarf eines Rechenzentrums mit dem Energiebedarf der IT in Beziehung. Das Umweltbundesamt setzt für die Energie- und Ressourceneffizienz in Rechenzentren deshalb die Kenngröße KPI4DCE („Key-Performance-Indikator für Rechenzentrumseffizienz“) dagegen. Sie erfasst u. a. auch den Rechen- und Speicheraufwand im Netzwerk sowie die Gebäudetechnik in ihren energetischen Facetten – inklusive möglicher Eigenstromerzeugung. Mit dieser Kenngröße kommt Köhn zu zwei Ergebnissen: Erstens haben Server in allen Umweltwirkungen die größte Bedeutung. Zweitens stellt PUE höchstens 30 Prozent der Umweltbelastung dar. Auf Basis der umfassenden Kenngröße strebt das Umweltbundesamt deshalb einen verbindlichen Energieausweis für Rechenzentren an. „Aktuell ist das alles noch eine Blackbox“, sagte Köhn. Cloud-Dienstleister sollten für ihre Services einen CO2-Fußabdruck etwa pro Stunde oder Jahr abgeben. Das würde Markttransparenz und einen Wettbewerb um besonders klimafreundliche Dienstleistungen schaffen. Begriffe wie Green IT oder Green Hosting seien dagegen nicht wirklich geschützt und ließen kaum Vergleiche über die Nachhaltigkeit der angebotenen Dienstleistungen zu.

Der Wettbewerb könnte noch forciert werden, wenn auch Betreiber von Telekommunikationsnetzen (Breitband, Telefon und Mobilfunk) ihr Angebot mit einem CO2-Fußabdruck pro Übertragungseinheit kennzeichnen würden. Exemplarisch hat Köhn den CO2-Fußabdruck für die Teilnahme an Videokonferenzen inklusive Rechenzentrum, Übertragungsnetz und Firmennetzwerk durchgerechnet: Demnach hinterlässt eine 60-minütige Videokonferenz mit einem großen Videomonitor knapp 300 Gramm CO2, wovon rund fünf Sechstel auf das Endgerät entfallen. Besser fällt die Bilanz bei einem Desktop-PC mit 90 Gramm CO2 bzw. bei einem Laptop mit 55 Gramm CO2 aus. Köhn stellte klar, dass mehr Transparenz und Wettbewerb nicht nur gewünscht, sondern auch gefordert sind: Im Rahmen des europäischen „Green Deal“ verpflichtet die überarbeitete Energieeffizienzrichtlinie die EU-Mitgliedsstaaten, zwischen 2024 und 2030 neue Energieeinsparungen von 1,5 Prozent pro Jahr des Endenergieverbrauchs zu erzielen. Ein zentrales Informationssystem hierzu soll bis nächstes Jahr aufgebaut sein.

Nachhaltige Geschäftsmodelle entwickeln

Markus Neubauer, Gründer und CEO des Fürther Software-Unternehmens Silbury Deutschland GmbH, interpretierte als zweiter Referent des IHK-Webinars grüne IT noch weiter. Man dürfe sich nicht nur mit der CO2-Reduzierung in der IT-Technik beschäftigen: „IT ist auch ein Motor für nachhaltige Geschäftsmodelle.“ Für Neubauer ist eine smarte und grüne Digitalisierung kein Selbstzweck, sondern „Baustein und Motor für eine enkelgerechte Wirtschaft“.

Er warnte bei dem Webinar auch vor Scheinlösungen: Wenn etwa eine energieintensive Gießerei in Deutschland schließt und deren Produkte künftig aus Fernost kommen, ist dem Klimaschutz aus globaler Sicht kein Gefallen getan. Hoffnung setzt Neubauer dagegen in neue Regularien, die für mehr Nachhaltigkeit sorgen dürften. So wird der „Green Deal“ der Europäischen Union inklusive der neuen Regelungen für nachhaltige Finanzierung (Sustainable Finance) oder der CSR-Berichtspflichten (Corporate Sustainability Reporting Directive) nicht-nachhaltige Geschäftsmodelle ins Abseits oder gar ins Aus drängen. Stattdessen müssten „grüne Geschäftsmodelle mit Leuchtturmwirkung“ entwickelt werden. „So muss man die vorhandene Nachhaltigkeitskrise angehen, sonst gefährden wir unseren Wohlstand“, sagte Neubauer bei dem IHK-Webinar mit fast 100 Teilnehmern.

Für „Green IT“ sieht Neubauer drei Handlungsfelder: Als erforderliches Minimum sollten auf der betrieblichen Ebene von Compliance und Bürokratie intelligente Software-Lösungen die Einhaltung der vielfältigen Vorschriften sichern. Auf der Ebene von Produktion und Prozessen müssten Projekte für CO2-Reduzierung, Abfallvermeidung und soziale Verantwortung in der Wertschöpfungskette sorgen. Auf der Ebene der Produkte müsste die Entwicklung nachhaltiger Produkte, Dienstleistungen und innovativer Geschäftsmodelle im Fokus stehen. Wobei Nachhaltigkeit nicht auf ökologische Aspekte reduziert werden dürfe, sondern sich an den 17 sogenannten SDG-Zielen (Sustainable Development Goals) für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen orientieren müsse. Dazu gehören auch Ziele wie hochwertige Bildung, keine Armut und kein Hunger oder auch weniger Ungleichheiten.

Als Eckpunkte für smarte und grüne Geschäftsmodelle sieht Neubauer vier Stellschrauben: Erstens nachhaltiges Design neuer Produkte und Dienstleistungen und zweitens die Kreislaufwirtschaft. Punkt drei ist die Ausrichtung der Unternehmen auf einen Markt der Nachhaltigkeit. Viertens müssten negative Effekte konsequent kompensiert werden. In all diesen Bereichen könne eine nachhaltige IT der Motor sein: „Wir müssen uns neu erfinden und die SDGs mit erfolgreichen Geschäftsmodellen verbinden.“

Autor/in: 

(tt.)

 

WiM – Wirtschaft in Mittelfranken, Ausgabe 07|2022, Seite 32

 
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